Psychische Belastung – chronische Erkrankung
Chronische Erkrankungen wie Asthma oder COPD beeinflussen die psychische Gesundheit. Mehr zu den Wechselwirkungen zwischen chronischen Atemwegserkrankungen und dem psychischen Wohlbefinden sowie Hinweise für den Praxisalltag finden Sie hier.
Wer beeinflusst wen? Chronische Atemwegserkrankungen und die Psyche
Es ist allgemein anerkannt, dass die psychische Gesundheit erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf von chronischen Erkrankungen hat.¹ Chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD stellen dabei keine Ausnahme dar: Hier lassen sich insbesondere erhöhte Stressbelastung, Angstzustände oder Depressionen beobachten.
Asthma und psychische Gesundheit
Ein Zusammenhang zwischen chronischem Stress und einer verschlechterten Asthmakontrolle konnte bereits durch mehrere Studien belegt werden. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen steigt zudem unter chronischem Stress die Wahrscheinlichkeit von Asthma-Exazerbationen und Krankenhausaufenthalten.²'³ Die Ursachen für durch Stress ausgelöste Exazerbationen sind vielfältig und können von extremen Strapazen wie der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder häuslicher Gewalt bis hin zu anhaltendem familiärem und beruflichem Stress reichen.⁴ Zusätzlich gibt es Hinweise dafür, dass Stress die Wirksamkeit von Beta-2-Agonisten und Kortikosteroiden beeinträchtigen kann.⁵ Darüber hinaus können Stress und Angst die Therapieadhärenz verringern, was die Asthmakontrolle weiter beeinträchtigt.²
Nicht nur psychischer Stress wirkt sich unter Umständen negativ auf Asthma aus, sondern auch die Erkrankung selbst hat einen negativen Einfluss auf die Psyche. Asthma-Erkrankungen können das Risiko für die Entwicklung von internalisierenden Störungen wie Angstzuständen und Depressionen um das Dreifache erhöhen. Chronische Immunbelastungen, insbesondere in Verbindung mit Asthma und Luftverschmutzung, können anhaltende Entzündungsprozesse auslösen, die spezifische Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. So zeigen Asthma-Patient*innen mit
Depressionen eine Verschlechterung der Asthma-Symptome und suchen häufiger die Notaufnahme auf.⁶
Die Erkennung, Untersuchung und Behandlung von Depressionen und psychischen Störungen hingegen kann dazu beitragen, die Asthma-Kontrolle zu verbessern.⁷
Die GINA-Leitlinie:⁸
- Benennt psychische Erkrankungen als eine Komorbidität von Asthma.
- Empfiehlt eine regelmäßige Kontrolle des Gemütszustandes von Asthma-Patient*innen.
- Empfiehlt die Aufklärung von Patient*innen über die Unterschiede zwischen den körperlichen Auswirkungen von Angst und Asthma.
- Empfiehlt Ratschläge für den Umgang mit Panikattacken zu geben.
- Empfiehlt, bei Jugendlichen die Befragung des Gemütszustandes ohne die Anwesenheit der Eltern durchzuführen.
Wie wirkt sich COPD auf die Psyche aus?
Etwa ein Drittel aller COPD-Patient*innen sind von psychischen Beschwerden
betroffen, insbesondere von Ängsten und depressiven Verstimmungen. Diese haben einen nachteiligen Einfluss auf den Verlauf der COPD, da sie die Motivation zur Durchführung der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen beeinträchtigen. So kann es zu einer Verschlechterung der Symptome kommen und in der Folge die psychische Belastung verstärkt werden.⁹
Auch die Prognose von COPD-Patient*innen wird durch Angstzustände oder Depressionen beeinflusst, da sie mit einer Reduzierung der körperlichen Aktivität, einer Verschlechterung der Atemnot, einer Zunahme von Exazerbationen und einer verstärkten Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen verbunden sind. Zudem beeinflussen sie auch andere Risikofaktoren wie Tabakkonsum und die allgemeine Lebensqualität der Patient*innen.¹⁰
Psychische Erkrankungen wie Ängste oder Depressionen entwickeln sich in der Regel bereits in den frühen Stadien einer COPD und haben einen erheblich negativen Einfluss auf die Lebensqualität. Eine Studie zeigte, dass die Anzahl von Patient*innen, die von starken Ängsten berichteten, in den Stadien I und II (ca. 40 %) ähnlich häufig war wie in den Stadien III (38 %) und IV (40 %). Das gleiche konnte für Patient*innen mit depressiven Anzeichen beobachtet werden.¹¹
In einer großen amerikanischen Studie wurde gezeigt, dass bei COPD Patient*innen mit Depressionen eine signifikante Zunahme der 1- und 3-Jahres-Sterblichkeit zu verzeichnen war. Zudem war die Häufigkeit von Krankenhausbehandlungen im Jahr vor Beginn der Studie erhöht und auch die Leistungsfähigkeit war beeinträchtigt.¹¹
Depressionen haben zudem einen erheblichen Einfluss auf die Therapieadhärenz. Etwa die Hälfte betroffener Patient*innen kann die Einnahme der verordneten Medikamente nicht einhalten, vernachlässigt die bedarfsorientierte Sauerstofftherapie und versäumt oft Behandlungstermine – was sich negativ auf die Therapieadhärenz auswirkt.¹²
Die GOLD-Leitlinie:¹³
- Benennt Depressionen und Angstzustände als eine Komorbidität von COPD.
- Führt Depressionen als Grund für schlechte Therapieadhärenz auf.
- Benennt multiple Ursachen für Depressionen und Angstzustände bei COPD-Patient*innen, einschließlich verhaltensbezogene, soziale und biologische Faktoren.
- Empfiehlt Lungenrehabilitation als Möglichkeit, Angstsymptome zu verringern.
- Weist darauf hin, dass die Wirkung von Antidepressiva bei COPD-Patient*innen noch nicht ausreichend durch Studien belegt ist.
- Empfiehlt Verhaltenstherapie und körperbezogene Tätigkeiten wie Achtsamkeitstherapie, Yoga oder Entspannung, um Ängste und Depressionen zu verringern.
- Weist darauf hin, dass körperbezogene Tätigkeiten zusätzlich zur Psyche auch Lungenfunktion, Dyspnoe, körperliche Leistungsfähigkeit und Müdigkeit von COPD-Patient*innen verbessern können.
Das ganze Team ist gefragt
Patient*innen mit chronischen Atemwegserkrankungen sind also in hohem Maße gefährdet, psychische Störungen zu entwickeln, die sich wiederum negativ auf die Prognose und die Therapieadhärenz auswirken können. Daher ist es von Bedeutung, bei jedem Arzttermin auf den allgemeinen emotionalen Zustand der Patient*innen zu achten. Dies kann im Rahmen des Gesprächs mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin geschehen, aber auch im gesamten Verlauf der Praxisaktivitäten. Depressive Verstimmungen oder Angstzustände können sich möglicherweise bereits bei der Anmeldung am Empfang, während routinemäßiger Untersuchungen durch medizinisches Fachpersonal oder im Wartezimmer erkennbar machen. Darüber hinaus haben speziell geschulte medizinische Fachangestellte die Möglichkeit, regelmäßigen Kontakt zu betroffenen oder gefährdeten Patient*innen aufzunehmen, um eine kontinuierliche Betreuung zu gewährleisten. Dies kann sich positiv auf den Gemütszustand der Patient*innen auswirken.¹⁴⁻¹⁵
Referenzen:
- National Institute of Mental Health.
https://www.nimh.nih.gov/health/publications/chronic-illness-mental-health
- Wisnivesky J et al. J Asthma. 2010;47(1):100-4.
- Dudeney J et al. Pediatr Pulmonol. 2017;52(9):1121-1129.
- Landeo-Gutierrez J et al. Am J Respir Crit Care Med. 2020; 201(8): 917–922.
- Miller G et al. Proc Natl Acad Sci U S A. 2006; 103(14): 5496–5501.
- Caulfield J. Brain, Behaviour & Immunity – Health 2021;18:e100360.
- Ogbu C E et al. Cureus. 2023; 15(1): e33966.
- GINA Leitlinien 2023. https://ginasthma.org/2023-gina-main-report/.
- ÄZQ.https://www.patienten-information.de/patientenblaetter/copd-seelische-belastungen.
- Martínez-Gestoso S et al. BMC Pulmonary Medicine 2022; 22:169.
- COPD-Deutschland e.V. https://www.copd-deutschland.de/links-von-startseite/copd-auswirkungen-auf-alltag-psyche-und-lebensqualitaet.
- JournalMed. https://www.journalmed.de/news/lesen/copd-depression-angst-adhaerenz.
- GOLD-Report 2024. https://goldcopd.org/2024-gold-report/.
- ÄrzteZeitung.https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Praxisteam-betreut-erfolgreich-depressive-Patienten-371711.html.
- Gensichen J et al. ACP Journals 2009;151(6):369-378
Bildquelle: KI-generiert
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