eine Gruppe von Kaffeebohnen mit Blättern

Steuert die „innere Uhr“ den Coffein-Effekt?

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In neonatologischen Intensivstationen (NICUs) gehört Coffein zu den meistverordneten Substanzen, da es nicht nur die Apnoe-Häufigkeit bei Frühgeborenen reduziert, sondern auch die Extubation erleichtert, vor der Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) schützt und sich günstig auf eine Frühgeborenenretinopathie oder einen offenen Ductus arteriosus auswirkt. Darüber hinaus verbessert Coffein den entwicklungsneurologischen Outcome der behandelten Kinder langfristig.

 

Doch trotz all dieser durch diverse Studien gut belegten Vorzüge gibt es interindividuell große Unterschiede in der Wirksamkeit. Dabei lässt sich ein ungenügendes Ansprechen auf Coffein bei entsprechend disponierten Frühgeborenen auch nicht durch Dosissteigerungen ausgleichen. Wie Messungen der Plasmakonzentrationen gezeigt haben, ist die abweichende Coffein-Wirksamkeit dadurch nicht zu erklären. Auch genetische Polymorphismen innerhalb der Gene, die für die Verstoffwechselung von Coffein verantwortlich sind, konnten bislang keine plausible Erklärung liefern.

 

Dass der zirkadiane Rhythmus eine Vielzahl pharmakokinetischer Prozesse beeinflusst, ist bereits lange bekannt. Feten entwickeln bereits früh in der Schwangerschaft einen Tag-Nacht-Rhythmus, der zunächst über plazentagängige mütterliche Hormone wie Melatonin, Dopamin und Kortisol vermittelt wird. Er beeinflusst viele Funktionen wie Herzfrequenz, Schlaf-Wach-Rhythmus und Hormonspiegel. Interessanterweise sind solche zirkadianen Schwankungen bei anenzephalen Feten nicht nachweisbar; offenbar hängt ihre Ausbildung nicht nur von mütterlichen Einflüssen ab, sondern ist auch auf fetale Hirnfunktionen angewiesen.

 

Nach der Geburt etablieren reife Neugeborene innerhalb weniger Tage bis Wochen ihren eigenen Tag-Nacht-Rhythmus, der wesentlich von externen Taktgebern, vor allem Licht, beeinflusst wird. Dafür scheint jedoch wesentlich zu sein, dass sie diesen Rhythmus bereits in Utero in maternal-fetaler Interaktion quasi „gelernt“ haben. Aufgrund ihrer Unreife ist dieser Prozess für Frühgeborene erschwert, sodass bei ihnen ultradiane (kürzer als 24 Stunden) oder irreguläre Rhythmen überwiegen.

Coffein beeinflusst den zirkadianen Rhythmus, indem es zum einen den wichtigsten endogenen Taktgeber dieses Rhythmus‘ – den endogenen cAMP-Ca2+-Signalweg – moduliert. Zum anderen blockiert es in fast allen Hirnregionen die Adenosinrezeptoren, wodurch die Freisetzung von Neurotransmittern wie Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Dopamin, Glutamat, Acetylcholin, Noradrenalin und Serotonin und damit auch der Schlaf-Wach-Rhythmus entscheidend verändert wird.

 

Bei Frühgeborenen wurden in Studien bislang jedoch in erster Linie die Coffein-Effekte auf die Atmung und die neurokognitive Entwicklung untersucht, während die Auswirkungen auf zirkadiane Rhythmen eher unberücksichtigt geblieben sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Unreife-bedingten irregulären Rhythmen die zirkadianen Effekte des Coffeins maskieren könnten.

Wie eine kürzlich erschienen Studie zeigt, können Polymorphismen in Genen, die für die zirkadianen Rhythmen verantwortlich sind, den Effekt von Coffein modifizieren.1 Die Autoren folgern daraus, dass die zirkadianen Rhythmen das Ansprechen auf Coffein entscheidend beeinflussen könnten – ein Aspekt, der in künftigen Studien weiter evaluiert werden sollte. Möglicherweise könnte die Coffeingabe zu unterschiedlichen Tageszeiten den therapeutischen Effekt verändern.

 

Referenz: Dai HR, Guo HL, Hu YH, et al. Precision caffeine therapy for apnea of prematurity and circadian rhythms: New possibilities open up. Front Pharmacol 2022; 13: 1053210.

 

1Guo HI, Long JY, Hu YH, et al. Caffeine therapy for apnea of prematurity: Role of the circadian CLOCK gene polymorphism. Front Pharmacol 2022; 12: 724145.

 

Pflichttext “Curosurf®”

 

Pflichttext “Peyona®”

 

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