Drei Holzkugeln mit einem lachenden, einem neutralen und einem traurigem Ausdruck.

Psychosoziale Aspekte

Welchen Einfluss hat die Trans­plan­tation auf Spender*innen?

2 Minuten

Im Rahmen einer Lebend­spende haben Sicherheit und Gesundheit der Organspender*innen die höchste Priorität, und es gelten strenge Voraussetzungen, um diese zu gewähr­leisten.1 Um diesen besonderen Schutz zu garantieren, sollten die körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen von Organlebend­spender*innen in der prä­operativen Evaluation und in der post­operativen Nachsorge erfasst und anschließend behandelt werden.1 Zur rechtlichen Lage in Deutschland sowie Ursachen für eine erhöhte Belastung vor und nach der Operation informieren wir hier:

Lebendorganspende in Deutschland

Derzeit werden in Deutschland vor allem Nieren und Teile der Leber von lebenden Spender*innen auf Empfänger*innen übertragen.2 Medizinisch möglich und gesetzlich erlaubt ist auch die Übertragung eines Teils der Lunge, des Dünn­darms und der Bauchspeichel­drüse.2 Die Lebend­organspende dieser Organe wird jedoch in Deutschland kaum durchgeführt.2 Im Jahr 2022 wurden 535 Nieren­transplantationen und 41 Leber­transplantationen nach Lebend­spende durchgeführt.3 Zum Vergleich: im selben Jahr wurden 1.431 Nieren und 706 Lebern post­mortal transplantiert.3

Die rechtliche Lage in Deutschland

In Deutschland sind Lebend­spenden nur zulässig, wenn ein enges genetisches oder emotionales Nähe­verhältnis zwischen Organ­spender*in und -empfänger*in besteht.1 Zudem ist laut Transplantations­gesetz darauf zu achten, dass die Spendenden nach ärztlicher Beurteilung geeignet sind.1 Außerdem sollten sie nicht über das Operations­risiko hinaus gefährdet und über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus beeinträchtigt werden.1 Dies beinhaltet die körperlichen sowie psycho­sozialen Aspekte.1 Im Jahr 2012 wurden verschiedene Gesetzes­änderungen vorgenommen, um finanzielle Nachteile für Lebend­spender*innen zu verhindern.1 So erhalten Spender*innen eine Lohnfort­zahlung bzw. eine Erstattung des entgangenen Arbeits­einkommens, und auch die Kosten­übernahme für die erforderliche Nach­sorge und eventuelle medizinische Behandlungen ist sichergestellt.1

Psychosoziale Belastungen vor Spende

Das körperliche, psychische und soziale Wohl­befinden einiger Spender*innen kann vor der Operation stark beeinträchtigt werden.1 Der Groß­teil fühlt sich vor der Spende jedoch wenig eingeschränkt.1 Die folgenden Faktoren tragen zu einer erhöhten psycho­sozialen Belastung bei:

 

  • Sorge um die Organ­empfänger*innen
    Für viele Spender*innen steht prä­operativ die Sorge um die Organ­empfänger*innen im Mittel­punkt, insbesondere bei einem sehr engen Nähe­verhältnis.1
 
  • Spende­entscheidung
    Eine anhaltende Unsicherheit bezogen auf die Spende­entscheidung steht mit einem ungünstigeren psycho­sozialen Outcome in Verbindung.1 Eine verringerte Unsicherheit wurde bei Spender*innen mit hoher Lebens­qualität, familiärer Unterstützung und emotionaler Nähe zum/zur Empfänger*in beobachtet.1
 
  • Moralische Verpflichtung
    Die Mehrzahl der Spender*innen bewertet die Option der Lebend­spende positiv, doch einige Spender*innen berichten auch von einem Gefühl moralischer Verpflichtung oder sogar subtilem bis explizitem Druck, beispielsweise seitens der Familie oder behandelnden Ärzt*innen.1 Insbesondere, wenn keine weiteren Spender*innen zur Verfügung stehen und die Aussichten auf eine zeitnahe post­mortale Spende gering sind, kann das Gefühl einer moralischen Verpflichtung eine enorme Belastung sein.1
 
  • Medizinische Untersuchungen
    Die notwendigen Untersuchungen und Warte­zeit bis zum Vorliegen aller Befunde wirken sich belastend auf die Psyche der Spender*innen aus.1 Hinzu kommen die Angst vor möglicherweise bedrohlichen Befunden (z. B. Erst­diagnose einer schweren Erkrankung) sowie vor der Operation als zusätzlich Belastung.1

Psychosoziale Belastungen nach Spende

Obwohl der Groß­teil der Spender*innen nach einem günstigen Verlauf der Transplantation eine Entlastung verspüren, so kommt es bei einigen Spender*innen zu lang­anhaltenden Belastungen (> 6 Monate nach Spende).1 Diese manifestieren sich in einer Verschlechterung ihrer körperlichen und psychischen Lebens­qualität sowie einen Anstieg an Fatigue und an depressiven Symptomen.1

 

  • Post­operative Lebens­qualität: Familie und Beruf
    Einigen Spender*innen berichten von der Sorge nach Transplantation ihrer Verantwortung der Familie gegenüber, insbesondere der Kinder, nicht mehr gerecht werden zu können.1 Zudem kann die Vereinbar­keit der Lebend­spende mit der beruflichen Tätigkeit für einige Spender*innen problematisch sein.Das Ausmaß ist dabei abhängig von der Unterstützung durch den/der Arbeits­geber*in und der körperlichen Belastung.1 Bereits 2012 wurde durch verschiedene Gesetzes­änderungen versucht, die Belastungen durch berufliche und finanzielle Einschränkungen für Spender*innen weitgehend zu verhindern.1
 
  • Psychische Belastung in Zahlen: Angst­störungen, Depression und Fatigue
    Studien zeigten, dass insgesamt bis zu 67 % aller Spender*innen von Angststörungen und bis zu 47 % von einer Depression betroffen waren.4 Die Häufigkeit einer Depression war für Nieren- und Leberspender*innen vergleichbar hoch.1 Eine Depression wurde bei etwa bis zu 47 % der Nieren­spender*innen und etwa bis zu 34 % der Leber­spender*innen festgestellt.1 Eine Fatigue kam bei Nieren­spender*innen hingegen häufiger vor als bei Leber­spender*innen.1

Kritik an den Erhebungen

Ein Groß­teil der Studien verglichen den Schwere­grad der psycho­sozialen Belastungen nicht mit dem individuellen Ausgangs­werten vor der Spende, sondern mit der Allgemein­bevölkerung.1 Diese ist jedoch als Referenz­gruppe weniger gut geeignet, da es sich bei Lebend­spender*innen um eine selektive Stich­probe von vergleichsweise gesunden Personen handelt.1 Zudem beruhen die Ergebnisse auf der subjektiven Auffassung der Spender*innen und lassen sich objektiv nur schwer ermitteln.1

Fazit

Lebend­spender können durch zahl­reiche und spezifische Belastungen im Rahmen einer Transplantation relevant beeinträchtigt werden.1 Einige Belastungen lassen sich reduzieren, während andere wieder unvermeidbar sind, wie z. B. prä­operative Untersuchungen oder der post­operativer Wund­schmerz.1 Sie zu identifizieren ist ein wichtiges Ziel der psycho­sozialen Evaluation und Nach­sorge.1 Hierzu können verschiedene Frage­bögen zur quantitativen und qualitativen Selbst­einschätzung zur Bestimmung der gesundheits­bezogenen Lebens­qualität (Health Related Quality of Life) eingesetzt werden.1,5 Beispiele sind der SF-36 Fragebogen zum Gesundheits­zustand, der Frage­bogen „Gesundheit und Wohl­befinden 1 Jahr nach der Lebend­spende“ (Gesundheit Österreich GmbH) sowie „Sozialer Status ein Jahr nach der Lebend­spende“ (Gesundheit Österreich GmbH).5

Referenzen

  1. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM), Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin e.V. (DKPM): Psychosoziale Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten vor und nach Organtransplantation. 1. Version 2022. URL: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-031.html (zuletzt aufgerufen 26.02.2024).
  2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Organspende, Bei der Lebendorganspende werden Organe oder Organteile von lebenden Menschen übertragen, URL: https://www.organspende-info.de/lebendorganspende/ (zuletzt aufgerufen 26.02.2024).
  3. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Organspende, Statistiken zur Organspende für Deutschland und Europa, URL: https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/statistiken/ (zuletzt aufgerufen 26.02.2024).
  4. Ong JQL et al. Gen Hosp Psychiatry. 2021; 70: 51–75.
  5. Diplomarbeit: Schwane MH. Die Lebensqualität von NierenlebendspenderInnen an der Medizinischen Universität Graz ein Jahr nach der Lebendspende, Medizinischen Universität Graz, 2015.

Erfahren Sie hier mehr zu Envarsus®.

 

Pflichttext

2 Minuten

Inhalt teilen