Hohe Inzidenz von psychischen Belastungen und ihre Ursachen
Eine Untersuchung aus 2015 ergab, dass bis zu 63 % der Transplantationspatient*innen an Depressionen oder Angststörungen in den ersten Jahren nach einer Transplantation leiden.1 In einem vergleichbaren Zeitraum liegt die Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung lediglich bei 3 – 10 %.1 Bei Betroffenen anderer schweren Erkrankungen wie Arthritis, Krebs, Diabetes sowie Herz-, Nieren- oder Lungenerkrankungen kommen psychische Erkrankungen mit 10 – 40 % im Vergleich ebenfalls seltener vor.1 Aktuelle Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen davon aus, dass immer noch etwa 5 % der Erwachsenen unter Depressionen leiden.3
Die Ursachen für diese erhöhte Inzidenz sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt.1 Wesentliche Stressfaktoren bilden das komplexe Therapieregime und die damit einhergehende Veränderung des Lebensstils der Patient*innen.1 Besonders gefährdet sind alleinlebende Menschen ohne soziale Unterstützung sowie, nach Hinweisen von Studiendaten, Kinder.1,4
Weitere Risikofaktoren sind:1,4
- ungesunde Ernährungsweise
- wenig körperliche Aktivität
- erhöhter Body Mass Index (BMI)
- geringes Bildungsniveau
- geringes Einkommen
- Missbrauch illegaler Substanzen
Bereits vor der Transplantation bestehen bei Patient*innen Ängste und Sorgen durch den zunehmenden Funktionsverlust des Organs.4 Nach der Transplantation hingegen können Ängste vor der Abstoßung des Spenderorgans, Schuldgefühle gegenüber dem Spender sowie Stress beim Zurückfinden in den Alltag entstehen.5
Negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand
Eine Depression kann bei Transplantationspatient*innen zu einer Verschlechterung der Lebensqualität, einer verringerten Adhärenz und einer erhöhten Transplantatabstoßung führen.1 Außerdem kann eine Depression weitere Begleiterkrankungen und eine erhöhte Anzahl an Zytokinen zur Folge haben1 Zytokine sind Botenstoffe zur Kommunikation zwischen Zellen und können Entzündungsprozessen beschleunigen.5 Insgesamt resultieren die Folgen einer Depression in einem um 65 % erhöhtem Mortalitätsrisiko nach Transplantation.1
Die Mortalität bei Depression ist dabei unabhängig vom transplantierten Organ oder dem Zeitpunkt ihres Auftretens.1 Ob eine Depression vor oder nach der Transplantation auftritt, wirkt sich somit vergleichbar stark auf die Mortalität aus1 Der Effekt von Angststörungen auf die Mortalität wird noch erforscht.1
Prophylaxe und Therapie einer Depression
Regelmäßige Untersuchungen des psychischen Gesundheitszustands vor und nach einer Transplantation sind für das Wohlergehen Ihrer Patient*innen sowie für den Therapieerfolg relevant.1,6 Bei der Untersuchung können Fragebögen wie der Beck Depression Inventory – II und der Patient Health Questionnaire – 9 hilfreich sein.1
Wurde eine Depression festgestellt, sollte frühzeitig mit ihrer Behandlung begonnen werden.7 Pharmakologische und psychotherapeutische Therapien stehen dabei zur Verfügung, aber auch alternative Maßnahmen wie Rehabilitationssport können helfen.1 Bei einer pharmakologischen Therapie besteht das Risiko, dass die eingesetzten Antidepressiva mit anderen gleichzeitig eingenommenen Arzneistoffen interagieren.8 Daher sollten Patient*innen bei Einsatz von mehreren, verschiedenen Medikamenten intensiv beobachtet werden.8 Zudem ist es von großer Bedeutung das Verhältnis von Interaktionsrisiko und Vorteile der Therapie bei diesen Patient*innen stehts zu reevaluieren.8
Eine erste Anlaufstelle für Betroffene und ihre Angehörigen bietet die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Hier finden Ihre Patient*innen umfassende Informationen zur Erkrankung sowie wertvolle Tipps. Auch Selbsthilfegruppen wie transplantiert e. V. können eine große Unterstützung sein.
Fazit
Daten legen nahe, dass Transplantationspatient*innen häufiger als Betroffene anderer Krankheiten an einer Depression erkranken – die genaue Ursache ist jedoch noch nicht vollständig verstanden.1 Eine Posttransplantations-Depression führt zu einer verringerten Adhärenz sowie einer erhöhten Transplantatabstoßung und Mortalität.1 Daher ist es wichtig, vor und nach einer Transplantation auch auf psychische Veränderungen zu achten, um eine Depression frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu treffen.1
Weitere Informationen zur psychischen Belastung oder den psychosozialen Folgen einer Transplantation finden Sie auf unserem DocCheck Kanal!
Abkürzungen
BMI: Body Mass Index
WHO: Weltgesundheitsorganisation
Referenzen
- Dew MA et al. Transplantation. 2015; 100(5): 988–1003.
- Ärzteblatt, Organtransplantationen: Die Psyche muss mitspielen, Stand: Juni 2011, URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/93793/Organtransplantationen-Die-Psyche-muss-mitspielen (zuletzt aufgerufen Mai 2023).
- Word Health Organization, Depressive disorder (depression), Stand: März 2023, URL: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/depression (zuletzt aufgerufen Mai 2023).
- Gezginci E et al. Transplant Proc. 2019; 51(7): 2367–2372.
- Gressner AM et al. Springer. 2019: 2554–2556.
- Transplant Wissen, Leben mit der Niere eines anderen – Hilfe bei psychischer Belastung nach Transplantation, URL: https://www.transplant-wissen.de/hilfe-bei-psychischer-belastung-nach-transplantation/#:~:text=Die%20Psyche%20der%20transplantierten%20Patient,einhergehen%20und%20zu%20Depressionen%20f%C3%BChren (zuletzt aufgerufen Mai 2023).
- Suzuki R et al. Transplant Proc. 2019; 51(3): 761–767.
- Wolff J et al. PLoS One. 2021; 16(7): e0255192.
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