die Hand und die Finger eines Babys

Möglichkeiten und Grenzen der Fetalchirurgie

8 Minuten

Chirurgische Interventionen schon im Mutterleib?

Die intrauterine Chirurgie umfasst neben Eingriffen an der Nabelschnur und der Plazenta auch solche, die den Fetus direkt betreffen, wie embryonale Tumoren, Zwerchfellhernien oder Neuralrohrdefekte. Offene Operationen mit Laparo- und Uterotomie sind zwar technisch möglich, aber von einer so hohen Morbidität und Mortalität begleitet, dass dieser Weg nur noch selten beschritten wird. Bessere Ergebnisse lassen sich mit minimal-invasiven Eingriffen und Lasertechnik erzielen, wie Prof. Dr. Kurt Hecher von der Klinik für Geburtshilfe und Perinatalmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, erläuterte.

 

Während an der Nabelschnur in erster Linie Nabelschnurkoagulationen zur Embryooder Fetoreduktion vorgenommen werden, ist das Hauptindikationsgebiet für Interventionen an der Plazenta das Zwillingstransfusionssyndrom (TTS) inklusive dessen Maximalvariante: der Acardius-Acranius, bei dem ein Zwilling gar kein eigenes Herz ausbildet, sondern die Durchblutung komplett über eine retrograde Perfusion (twin reversed arterial perfusion; TRAP) aus der Nabelarterie des anderen Feten aufrechterhalten wird. Dieser „pump-twin“ muss also nicht nur seinen eigenen Körper, sondern auch den seines Zwillings durchbluten. „Dies stellt für den durchblutenden Fetus immer eine große Gefahr dar, da der andere für ihn quasi wie ein Parasit ist“, so Hecher. In etwa der Hälfte der Fälle kommt es in der Folge zum Herzversagen mit intrauterinem Fruchttod. Eine solche Konstellation ist nur bei monozygoten, monochorialen Zwillingsschwangerschaften möglich. Mittels intrauteriner Laserkoagulation kann man die Gefäßverbindung zum Acardius-Acranius unterbinden und so zumindest das Überleben des Pump-Zwillings sicherstellen. Welcher Zeitpunkt für diesen Eingriff optimal ist, ist eine kritische Frage: Denn bei einer frühen Laserkoagulation (in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche) besteht die Gefahr der Übertherapie, da man zu diesem Zeitpunkt noch nicht einschätzen kann, ob der Acardius-Acranius so groß wird, dass er für den Pump-Zwilling eine Gefahr darstellt. Darüber hinaus weiß man, dass der retrograde Blutfluss in 20 % der Fälle bis zum Beginn des zweiten Trimesters spontan sistiert. Wartet man bis zur 17. oder 18. Schwangerschaftswoche, kann man eine Risikostratifizierung vornehmen und den Eingriff gezielt bei entsprechendem Risiko durchführen. Doch andererseits ist in rund 30 % der Fälle der Pump- Zwilling bis zu diesem Zeitpunkt bereits tot, so Hecher. Daher versucht die derzeit laufende randomisierte TRAPIST-Studie (TRAP Intervention Study), den günstigsten Zeitpunkt für die Laserkoagulation zu ermitteln. Wie Hecher schilderte, sind rund 90 % der frühen Eingriffe erfolgreich, sodass die Schwangerschaft meist bis zum Termin fortgesetzt werden kann.

 

Beim Feten selbst sind intrauterine Eingriffe vor allem dann zu erwägen, wenn es andernfalls zum intrauterinen Fruchttod käme oder das Outcome der Erkrankung bei einer erst postnatal einsetzenden Therapie ungünstiger wäre. Dazu zählen beispielsweise ausgeprägte Zwerchfellhernien, Neuralrohrdefekte, manche Tumoren, Herzfehler und infravesikale Obstruktionen.

 

Operation gelungen, Patient tot?

Das klingt in der Theorie plausibel – doch wie kommt man an den Feten, den man operieren will, heran? Dieses Dilemma erläuterte Hecher am Beispiel des sakrokokzygealen Teratoms, einem typischen fetalen Tumor. Versuche, im Anschluss an eine Laparotomie bei der Mutter den Uterus zu eröffnen, den Feten bei erhaltenem Plazentakreislauf und pulsierender Nabelschnur herauszunehmen, das Teratom zu operieren und den Feten anschließend wieder in die Gebärmutter zurückzuverlagern, sind allesamt gescheitert. Das Verfahren bedeutet einen immensen logistischen Aufwand: Das Fruchtwasser fließt aus und muss durch künstliches ersetzt werden, die Gebärmutter hat eine große Wunde, die versorgt werden muss – hinzu kommt die Belastung durch die Narkose für Mutter und Fetus. „Von der chirurgischen Technik her ist das alles durchaus machbar“, so Hecher. „Aber postoperativ kam es immer rasch zu einem vorzeitigen Blasensprung mit extremer Frühgeburtlichkeit.“

 

Beim sakrokokzygealen Teratom besteht die Hauptgefahr für den Feten in der kardiovaskulären Belastung – insbesondere wenn der Tumor große solide Anteile mit multiplen arteriovenösen Anastomosen besitzt. Abhängig von der Größe des Shuntvolumens drohen High-output-Failure mit Herzversagen, Hydrops fetalis und intrauteriner Fruchttod. Daher beschränkt man sich heute darauf, die Anastomosen minimal-invasiv und Ultraschall-gesteuert mittels interstitiellem Laser zu veröden. „Damit erreicht man zumindest einen Stopp des Tumorwachstums und der hyperdynamischen Zirkulation,“ so Hecher. Eine Resektion des Teratoms selbst ist auf diese Weise nicht möglich, aber auch nicht notwendig. Denn wenn die kardiovaskuläre Situation unter Kontrolle ist, kann die Teratom-Entfernung elektiv postpartal erfolgen.

Ballon-Okklusion der Trachea fördert Lungenwachstum

Ein weiteres Indikationsgebiet für die intrauterine Chirurgie stellt – in manchen Fällen – die Zwerchfellhernie dar. Allerdings hat sich auch hier die Laparo- und Hysterotomie nicht bewährt, erläuterte Hecher. Aussichtsreicher ist ein minimal-invasives Verfahren, bei dem die Trachea fetoskopisch mit einem Ballon verschlossen und der Sekretabfluss aus der Lunge so blockiert wird. Daraus resultiert eine intratracheale Druckerhöhung, die ihrerseits das Wachstum der Lunge triggert, sodass es innerhalb von zwei bis drei Wochen zu einer deutlichen Zunahme des Lungenvolumens kommt. Wie sich gezeigt hat, ist das Lungenwachstum ein wesentlicher Prognosefaktor: Je stärker es durch die Hernie beeinträchtigt wird, desto schlechter sind die Überlebenschancen für den Feten. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Feten mit einem besseren Lungenwachstum von der fetoskopischen endoluminalen Trachealokklusion (FETO) nicht profitieren: „Für diese Kinder macht es keinen Unterschied – sie überleben unabhängig davon, ob sie bereits intrauterin oder erst postpartal behandelt werden“, brachte es Hecher auf den Punkt. Ein kritisches Lungenvolumen liegt vor, wenn die sonografisch bestimmte Lungenfläche des Feten 25 % oder weniger der Lungenfläche eines gesunden Feten im gleichen Gestationsalter beträgt („Observed-toexpected“-Ratio; O/E-Ratio), während bei einer O/E-Ratio über 40 % die Überlebenswahrscheinlichkeit auch ohne FETO über 90 % liegt. Da eine FETO stets auch mit einem erhöhten Risiko für einen vorzeitigen Blasensprung mit nachfolgender Frühgeburt verbunden ist, sollte sie in der Gruppe mit intermediärem Risiko (O/ERatio zwischen 25 und 40 %) erst in der 30. bis 32. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. In der TOTAL-Studie (Tracheal Occlusion To Accelerate Lung growth) wird diese Strategie derzeit randomisiert überprüft.

Der Ballon muss auch sicher wieder raus!

Es genügt freilich nicht, den Ballon fetoskopisch sicher platzieren zu können – wichtiger ist, dass er vor oder spätestens unmittelbar nach der Entbindung auch wieder sicher entfernt oder entblockt wird, um zu verhindern, dass das Kind postpartal erstickt. Daher ist es zwingend erforderlich, dass die Schwangere im Falle von vorzeitigen Wehen nur in einem Zentrum entbindet, das ausreichend groß ist und über die entsprechende Expertise verfügt, sodass dies rund um die Uhr gewährleistet werden kann, appellierte Hecher. Intrauterin kann der Ballon entweder fetoskopisch entfernt oder unter Ultraschallkontrolle lediglich punktiert und dann postpartal gezogen werden – beide Methoden sind gleichermaßen sicher und effektiv.

 

Im Vergleich zu einer historischen Kohorte konnte die FETO bei Feten mit schwerer linksseitiger Zwerchfellhernie mit signifikant geringerem Bedarf an ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) und besseren Überlebensraten punkten¹ – Ergebnisse des TOTAL-Trials als erster randomisierter Studie mit dieser Fragestellung liegen derzeit noch nicht vor und auch Daten zum Langzeit-Follow-up fehlen noch.

 

Myelomeningozele: Nervenfasern vor Fruchtwasser schützen

Auch Neuralrohrdefekte können Anlass für einen fetalchirurgischen Eingriff sein – unter der Prämisse, durch Deckung des Defekts die Nervenfasern vor direktem Kontakt mit dem toxischen Fruchtwasser zu schützen. Erste Untersuchungen beim Menschen haben schon vor knapp 20 Jahren gezeigt, dass es nach präpartaler Defektdeckung seltener zu Kleinhirn-Herniationen kommt und weniger Shunt-Anlagen erforderlich werden – allerdings um den Preis einer deutlich höheren Rate vorzeitiger Entbindungen mit allen damit verbundenen Komplikationen und Folgen.² Zu ähnlichen Ergebnissen kam zwölf Jahre später auch die MOMS-Studie (Management of Myelomeningocele Study), in der die intrauterine Chirurgie bei Myelomeningozele randomisiert mit der postpartalen Sanierung verglichen wurde.³ Beim Langzeit-Follow-up nach 30 Monaten verfügten die intrauterin operierten Kinder allerdings über eine signifikant bessere motorische und sensorische Funktion kaudal der Myelo-meningozele.

 

Die MOMS-Studie war eine „klassische“ kinderchirurgische Studie, in der die Feten im Interventionsarm nach Laparound Hysterotomie intrauterin offen operiert wurden. Zuvor mussten sie in der Gebärmutter so gedreht werden, dass der Neuralrohrdefekt durch die Uterotomie zu erreichen war, sodass der Fetus während des Eingriffs in der Gebärmutter verbleiben konnte. „Eine so hohe Uterotomie bedeutet natürlich auch, dass die Geburt nur per Sectio erfolgen kann – auch bei weiteren Schwangerschaften“,  konkretisierte Hecher. Für weitere Schwangerschaften ist darüber hinaus die Gefahr von Plazentationsstörungen deutlich erhöht.

Elektive Sectio statt intrauteriner Defektdeckung?

Das mittlere Gestationsalter für die intrauterin operierten Kinder war die 33. bis 34. Schwangerschaftswoche. „Das heißt, wir haben eine iatrogen induzierte Frühgeburtlichkeit“, so Hecher und schlug vor zu prüfen, ob nicht eine elektive Sectio in der 34. Schwangerschaftswoche genau den gleichen Effekt mit sich bringt. Immerhin würde man dadurch den Kindern für sechs Wochen den toxischen Einfluss des Fruchtwassers ersparen: „Vielleicht ist das ja der Haupteffekt der intraoperativen Operation“, spekulierte Hecher.

 

Inzwischen wurden auch fetoskopische Techniken zum Verschluss einer Meningomyelozele entwickelt. Doch auch ein solcher minimal-invasive Eingriff ist nicht ohne Risiken, sondern ist mit einer erhöhten Rate von vorzeitigem Blasensprung, Chorioamnionitis, Oligohydramnion bis hin zum intrauterinen Fruchttod verbunden. Darüber hinaus war bei allen Kindern eine Sectio erforderlich.⁴⁻⁵

Vielversprechend: Laparotomie plus Fetoskopie

Einen neuartigen und sehr vielversprechenden fetoskopischen Zugang, der mit nur zwei Fetoskopen auskommt, hat Michael Belfort in Houston entwickelt: Er laparotomiert die Mutter und legt den Uterus frei, um dann die Meningomyelozele fetoskopisch zu sanieren. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass die Laparotomie im Gegensatz zur Uterotomie mit einer vergleichsweise geringen Morbidität verbunden ist, aber einen deutlich einfacheren fetoskopischen Zugang ermöglicht. Die Ergebnisse können sich – trotz der niedrigen Fallzahl von nur zehn Eingriffen – sehen lassen: Nur bei einem Kind kam es zum vorzeitigen Blasensprung, über die Hälfte konnten vaginal entbunden werden und das mittlere Gestationsalter betrug im Schnitt 39 Wochen. „Wenn sich diese Zahlen in einer randomisierten Überprüfung bestätigen, wäre das ein echter Fortschritt“, so Hechers Fazit.

 

 

Referenzen

  1. Belfort MA, Olutoye OO, Cass DL, et al. Feasibility and outcomes of fetoscopic tracheal occlusion for severe left diaphragmatic hernia. Obstet Gynecol 2017; 129: 20–9.
  2.  Bruner JP, Tulipan N, Paschall RL, et al. Fetal surgery for myelomeningocele and the incidence of shunt-dependent hydrocephalus. JAMA 1999; 282: 1819–25.
  3. Adzick NS, Thom EA, Spong CY, et al. A randomized trial of prenatal versus postnatal repair of myelomeningocele. N Engl J Med 2011; 364: 993–1004.
  4. Verbeek RJ, Heep A, Maurits NM, et al. Fetal endoscopic myelomeningocele closure preserves segmental neurological function. Dev Med Child Neurol 2012; 54: 15–22.
  5. Kohl T. Percutaneous minimally invasive fetoscopic surgery for spina bifida aperta. Part I: surgical technique and perioperative outcome. Ultrasound Obstet Gynecol 2014; 44: 515–24.
  6. Belfort MA, Whitehead WE, Shamshirsaz AA, et al. Fetoscopic open neural tube defect repair: development and refinement of a two-port, carbon dioxide insufflation technique. Obstet Gynecol 2017; 129: 734–43.

 

 

Pflichttext Curosurf®

 

Pflichttext Peyona®

 

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