Zwei Illustrationen vom Darm. Eine zeigt ihn glücklich, die andere traurig. Neben ihnen sind Sprechblasen mit unterschiedlichen illustrativen Abbildungen von Bakterien und Viren.

Im (Un)gleichgewicht: das Darmmikrobiom nach Transplantation

4 Minuten

Das Darmmikrobiom ist für viele Transplant­ations­patient:innen von großer Relevanz, seine Wichtigkeit wird jedoch häufig unterschätzt.1 Eine veränderte Darmflora in Folge einer Transplantation kann die Häufigkeit von Transplantat­abstoßungen erhöhen und die Wirksamkeit von Therapien einschränken.1,2 Geeignete Maßnahmen, wie eine Ernährungs­­umstellung, können dem entgegenwirken.1,3

Zusammensetzung des Darmmikrobioms

Der Begriff „Mikrobiom“ steht für das genetische Material sowie die Genprodukte von Mikroorganismen.1 Er ist von „Mikrobiota“ abzugrenzen, was die Ansammlung von Mikro­organismen beschreibt.1 Mikro­organismen kommen in oder auf verschiedenen Organen im menschlichen Körper vor – die höchste Dichte und Variabilität befindet sich jedoch im Darm.1 In einem Milli­liter Darminhalt befinden sich 1011-1014 Mikro­organismen.1,2 Bei Mikro­organismen des Darms handelt es sich vor allem um Bakterien, aber auch Pilze, Archaea und Eukaryoten kommen vor.2 Die meisten Bakterien gehören zu den Firmicuten, Bacteroidetes, Proteo­bakterien, Actino­bakterien und Verruco­mikrobien.1

Divers und dynamisch

Das genetische Material der Darm­mikrobiota umfasst 150-mal so viele Gene wie das menschliche Genom und unterscheidet sich stark zwischen Individuen.2 Nur etwa ein Drittel des Mikrobioms von zwei verschiedenen Menschen ist gleich.1,2

 

Obwohl die Zusammen­setzung des Darm­mikrobioms nach vollständiger Entwicklung im Kindes­alter im weiteren Lebens­verlauf relativ konstant bleibt, kann es durch innere und äußere Faktoren beeinflusst werden.1,2,4 Bekannter­maßen haben Anti­biotika einen Einfluss auf das Darm­mikrobiom, doch auch nicht-­antibiotische Medikamente, wie Anti­p­sychotika, Antimetabolite und Calcium­kanalblocker, können sein Gleich­gewicht stören.1,5

Intrinsische Einflüsse1,2,4

 

  • Alter
  • Geschlecht
  • Immun­prozesse
  • Wirts­physiologie (biochemische Vorgänge im Menschen)
  • Krankheit
  • Gene

Extrinsische Einflüsse1,2,4,5

 

  • Ess­gewohnheiten
  • Rauchen
  • Alkohol­konsum
  • körperliche Aktivität
  • Stress
  • Wohnort, sowie geographische Lage (das Vorkommen von Mikro­organismen ist je nach Lage, z. B. städtisch oder ländlich, und Land unter­schiedlich)
  • Medikamenten­einnahme (z. B. Anti­biotika, Anti­psychotika, Anti­metabolite, Calcium­kanalblocker)

Funktionen

Darmbakterien sowie ihre Produkte, wie beispiels­weise ihre Metabolite, beeinflussen verschiedene physio­logische Prozesse im menschlichen Körper, unter anderem:1-3

  • Regulierung des Immun­systems
  • Pathogen-Resistenz
  • Schutz vor Infektionen
  • Nahrungsabbau/­Verdauung
  • Biosynthese von Vitaminen und Neuro­transmittern

Relevanz des Darmmikrobioms für Transplantationen

Transplantations­patient:innen haben aufgrund ihrer Therapien ein erhöhtes Infektions­risiko sowie eine signifikant erhöhte Morbidität und Mortalität in Folge von Infektionen.2 Eine post-transplantationale Immun­suppression sowie der Einsatz von Antibiotika, zur Prophylaxe oder zur Behandlung, führen zu einer sogenannten Dysbiose.1,2 Diese ist gekennzeichnet durch eine reduzierte Diversität des Mikrobioms, oft bedingt durch eine Zunahme an Proteo­bakterien.1,2 Chemo­therapien und Bestrahlung haben ebenfalls einen signifikanten schädlichen Effekt auf die Darmflora.2 Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob sich diese Ver­änderungen zurückbilden oder permanent sind.1,3

Folgen des veränderten Darmmikrobioms nach Transplantation

Veränderungen des Darm­mikrobioms scheinen eine Vorhersage über eine potenzielle Transplantat­abstoßung zu ermöglichen.1,3 Studien zeigten, dass die Zunahme bestimmter Bakterien­stämme mit erhöhten Abstoßungs­raten und vermehrten unerwünschten Ereignissen assoziiert war2:

  • Proteo­bakterien führten zu pro-inflammatorischen Prozessen, die zu einer Abstoßung nach Allo­transplantationen führten.1
  • Auch ein verschlechtertes Verhältnis von Proteo­bakterien und Firmicuten sowie eine reduzierte Anzahl an Bacteroidetes sind mit einer erhöhten Abstoßungs­wahrscheinlichkeit assoziiert.1
  • Bifidobakterien verminderten pro-inflammatorische Zytokine, mit der Folge einer reduzierten Immun­aktivität.1
  • Bei Lebertransplantations­patient:innen mit kognitiven Beeinträchtigungen nach Transplantation wurde eine vermehrte Anzahl an Proteo­bakterien und Enterobacteriaceae gefunden.2
  • Nierentransplantations­patient:innen, die nach Transplantation eine Diarrhö entwickelten, wiesen eine verringerte Anzahl an Bacteroidetes auf.2

Maßnahmen für eine verbesserte Darmflora

Durch einige Maßnahmen können Patient:innen ihr Darmmikrobiom unterstützen und einer Minderung seiner Diversität entgegenwirken – verschiedene Tipps für Sie und Ihre Patient:innen können helfen.1,3

Was Ihre Patient*innen tun können1,3,6

 

Ernährungsumstellung

  • je ausgewogener die Ernährung, desto diverser das Darm­mikrobiom
  • pflanzen­basierte Ernährungs­weise
  • Verzicht auf einfache Zucker

 

Präbiotika

  • sind nicht verdaubare Lebensmittel­bestandteile und wichtige Nährstoffe für Darm­mikroorganismen, die das mikrobielle Wachstum fördern
  • z. B. Inulin aus Pastinaken, Chicoree und Knoblauch
  • z. B. Fructooligosaccharide aus Bananen, Haferflocken, Roggen, Spargel und Tomaten

 

Probiotika

  • sind lebende Mikro­organismen, die über die Nahrung aufgenommen werden können
  • z. B. in Sauerkraut, Natur-Joghurt, Kefir oder Kimchi

 

ausreichend trinken

 

regelmäßige Bewegung

 

Reduktion von Stress

 

Verzicht auf übermäßige Hygiene

  • der wiederholte Kontakt mit Mikro­organismen ist wichtig für die mikrobielle Vielfalt im Darm
  • zu häufiger Einsatz von Desinfektions­mitteln im heimischen Umfeld sowie zu häufiges Duschen sollten daher vermieden werden

Mögliche Maßnahmen, mit denen Sie Ihre Patient*innen unterstützen können1,3,7

 

Verzicht auf Breitspektrumantibiotika

  • gezielter Einsatz von Antibiotika mit geringerem Einfluss auf das Darm­mikrobiom 

 

erweiterte Eskalations­stufen:

 

Fäkale Mikrobiota-Transplantation

  • die Übertragung von Fäkalien von einer Person auf eine andere kann eine Darm­dysbiose verhindern und ein diverses Mikrobiom wiederherstellen

 

Phagentherapie

  • Bakterio­phagen regulieren das Darm­mikrobiom
  • Identifikation und Angriff von übermäßigen Ansammlungen von Mikro­organismen
  • Aufrecht­erhaltung der Darm­homöostase

Referenzen

  1. Baghai Arassi M et al. Pediatr Transplant. 2020; 24(7): e13866.
  2. Chong PP et al. Blood Rev. 2020; 39: 100614.
  3. Vindigni SM et al. Expert Rev Clin Immunol. 2015; 11(7): 781-783.
  4. Cresci G et al. Nutr Clin Pract. 2015; 30(6): 734-746.
  5. Maier L. Biospektrum. 2019; 25: 707-710.
  6. Focus Online. Darm-Expertin Michaela Axt-Gadermann: Gesunder Darm beugt Krankheiten vor – 5 Maßnahmen nützen ihm, auf eine sollten Sie verzichten. URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/gesunde-darmflora-5-dinge-tun-gut-und-eine-sache-sollten-sie-meiden_id_83097926.html (zuletzt aufgerufen 20.04.2023).
  7. Brüssow H. Biol. unserer Zeit. 2020; 50(3): 200-207.

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