Ein Arzt, der eine Patientin anlächelt

ESOT 2023: Personalisierte Immun­­suppression und personen­zentrierte Versorgung sowie Aktuelles zur Immun­suppression mit LCP-Tacrolimus

4 Minuten

Die personalisierte Behandlung mit Immun­suppressiva und eine personen­zentrierte Versorgung können die Adhärenz und die Therapie­ergebnisse von Patient*innen nach Nieren- und Lebertransplantation verbessern. Erfahren Sie außerdem, was auf dem ESOT-Kongress 2023 Neues zur Immun­suppression mit LCP-Tacrolimus berichtet wurde.

Personalisierte Behandlung und personen­zentrierter Ansatz

In der Transplantations­medizin spielen eine personalisierte Immun­suppression (IS) – also eine auf die individuellen Merkmale und Bedürfnisse der Patient*innen zugeschnittene Behandlung – und eine personen­zentrierte Herangehens­weise eine zunehmende Rolle. Wie dies umgesetzt werden kann, diskutierten Expert*innen auf einem von Chiesi unterstützen Symposium auf dem Kongress der European Society for Organ Transplantation (ESOT) 2023.

Personalisierte IS in der Nieren­transplantation

Bei Therapie­entscheidungen im Rahmen der personalisierten IS nach Nieren­transplantation (NTx) spielen laut Prof. Klemens Budde, Berlin, verschiedene Aspekte eine Rolle1 – darunter:

 

Immunologisches Risiko: Zur Einschätzung des immunologischen Risikos eignen sich z. B. die Empfehlungen der ENGAGE-Arbeits­gruppe, die den aktuellen Stand zur Risiko­stratifizierung wider­spiegeln.1

 

Zeit nach der NTx: In den ersten 3 Monaten werden wegen des hohen Abstoßungs­risiko meist mehr und höher dosierte IS gegeben. In der Erhaltungs­therapie ist bei Therapie­adhärenz das Abstoßungs­risiko geringer. Deshalb kann hier die IS oft niedriger dosiert werden.1

 

Pharmako­genetik und Formulierung von Tacrolimus (TAC): Abhängig von genetischen Merkmalen, z. B. vom CYP3A5-Genotyp, metabolisieren Patient*innen TAC unterschiedlich schnell. Bei der auf der MeltDose®-Technologie basierenden TAC-Formulierung mit verzögerter Wirkstoff­freisetzung (LCPT) hat der CYP3A5-Genotyp weniger Einfluss auf die TAC-Exposition im Vergleich zu TAC mit sofortiger Wirkstoff­freisetzung (IR-TAC).2

 

Fast Metabolizer verstoff­wechseln TAC schneller als Slow Metabolizer. Sie benötigen deshalb hohe Dosen, um die gewünschten Zielspiegel zu erreichen und haben so ein erhöhtes Risiko für TAC-assoziierte Neben­wirkungen wie Nierenfunktions­störungen. Ob Patient*innen TAC schnell oder langsam metabolisieren, kann mithilfe der C/D Ratio bestimmt werden, die dazu beitragen kann, Risiko­patient*innen für unerwünschte Ereignisse zu identifizieren und die immun­suppressive Therapie zu optimieren. Beispielsweise können Fast Metabolizer von einer Umstellung von IR-TAC auf LCPT durch eine bessere Bio­verfügbarkeit, Dosis­einsparungen sowie eine bessere Nieren­funktion profitieren.3

 

Non-Adhärenz als wichtigster Risiko­faktor für späte Abstoßungen: Die Wahl einer einmal statt zweimal täglich einzunehmenden TAC-Formulierung kann die Adhärenz fördern.4 Auch TAC-Neben­wirkungen wie Tremor begünstigen Non-Adhärenz. Nach dem Wechsel von IR-TAC auf LCPT kann sich der Tremor deutlich bessern.5 Zusätzlich ist es wichtig, NTx-Patient*innen zu ermutigen und empowern, regelmäßig ihre IS zu nehmen.

Personalisierte IS in der Leber­transplantation (LTx)⁶

Bei Leber­transplantierten wirken sich Begleit- und Folge­erkrankungen, die oft in Zusammen­hang mit der IS stehen, häufig negativ auf das Langzeit­überleben aus. Eine Individualisierung der IS kann die Belastung durch diese Komplikationen senken, erläuterte Prof. Marina Berenguer, Valencia. Bei LTx besteht – anders als bei NTx – eine größere Gefahr für eine Über-IS als für eine Unter-IS.6

 

Hier rückt die Intraindividuelle Patient*innen-Variabilität (IPV) bei TAC in den Fokus: Auch bei einer einzelnen Person können die TAC-Konzentrationen schwanken – mit Phasen der Unter-IS (Abstoßungsrisiko) und Über-IS (Komplikations­risiko). Zahlreiche Faktoren wie Non-Adhärenz oder TAC-Formulierung haben Einfluss auf die IPV.7 Eine einmal täglich einzunehmende TAC-Formulierung kann die IPV senken und die Transplantations­ergebnisse verbessern, indem sie die Adhärenz erhöht und das Transplantat- und Patient*innenüberleben verbessert.8

 

Die TAC-Formulierung kann sich zudem auf die Toxizität auswirken, z. B. treten bei LCPT weniger Neben­wirkungen auf als bei IR-TAC, wie Daten der MOTTO-Studie9 zeigen. Weitere Verbesserungen sind nötig, um non-adhärente Patient*innen zu identifizieren.

Von der Patient*in zur Person¹⁰

Das Leben mit dem neuen Organ ist mit neuen Heraus­forderungen verbunden. Die personen­zentrierte Versorgung richtet den Blick auf die Person mit dem neuen Organ und nicht auf das Organ in der Person, betonte Prof. Anna Forsberg, Lund. Das Gefühl der Transplantierten, als Person wahr- und ernst genommen zu werden, ist dabei ein Schlüssel­faktor und führt dazu, dass sich Patient*innen in der heutigen Hochleistungs­medizin gestärkt und anerkannt fühlen. Durch Akzeptanz der neuen Situation und realistische Erwartungen wird die Anpassung erleichtert und Selbst­ständigkeit sowie Selbst­management werden gestärkt. Spezielle Tools wie der neue „Being Taken Serious Questionnaire – Patientenversion“ können helfen, die personen­zentrierte Versorgung zu evaluieren und die Zusammen­arbeit von Behandelnden und Transplantierten zu verbessern.

Aktuelle Daten zur Immunsuppression mit LCPT vom ESOT 2023

Zahlreiche, auf dem ESOT präsentierte Abstracts und Poster unter­mauerten den Stellen­wert von LCPT nach Transplantation:

 

Die niederländische MOTTO-Studie verglich den Einfluss der TAC-Formulierung (LCTP vs. herkömmlichen Retard­formulierung, ER-TAC) auf die Toxizität bei LTx. Primärer Endpunkt war der zusammen­gesetzte Endpunkt aus einem von 3 Ereignissen: chronische Nieren­erkrankung, New onset diabetes after transplantation oder Hypertonie. Ein Jahr nach LTx war dieser Endpunkt unter LCTP signifikant seltener aufgetreten als unter ER-TAC (50,9 % vs. 71,2 %, p = 0,005).9

 

Eine Nicht-interventionelle Studie aus Österreich untersuchte die Verträglichkeit und Wirksamkeit von LCPT bei LTx-Patient*innen, die direkt nach der Transplantation neu mit TAC behandelt wurden. Unter LCPT wurden schnell stabile TAC-Talspiegel erreicht, mit nur wenigen Dosis­anpassungen. Die Leber­funktion besserte sich rasch und kontinuierlich, während die Nieren­funktion normal blieb. LCPT war im Behandlungs­alltag gut verträglich.11

 

Wie sich eine Umstellung von IR-TAC auf LCPT auf die zelluläre Immunität auswirkt, war Frage­stellung einer deutschen Studie. Während sich Phänotyp und Funktion der meisten T- und B-Zell-Populationen nach dem Wechsel auf die dosis­sparende LCPT-Therapie nicht veränderten, wurde ein Anstieg der regulatorischen T-Zellen im peripheren Blut beobachtet, was möglicherweise zusätzlich zum immun­suppressiven Gesamt­effekt beiträgt.12

Referenzen

  1. Budde K. New data and guidelines to personalize treatment in kidney transplant recipients. Vortrag, ESOT 2023; 17.-20.09.2023; Athen.
  2. Trofe-Clark J et al. Results of ASERTAA, a Randomized Prospective Crossover Pharmacogenetic Study of Immediate-Release Versus Extended-Release Tacrolimus in African American Kidney Transplant Recipients. Am J Kidney Dis 2018;71(3):315-326.
  3. Thölking Get al. The tacrolimus metabolism rate influences renal function after kidney transplantation. PLoS One 2014;9(10):e111128.
  4. Kuypers DRJ et al. Improved adherence to tacrolimus once-daily formulation in renal recipients: a randomized controlled trial using electronic monitoring. Transplantation 2013;95(2):333-340.
  5. Langone A et al. Switching STudy of Kidney TRansplant PAtients with Tremor to LCP-TacrO (STRATO): an open-label, multicenter, prospective phase 3b study. Clin Transplant 2015;29(9):796-805j.
  6. Berenguer M. Between guidelines and personalized medicine: data and experience in liver transplantation. Vortrag, ESOT 2023; 17.-20.09.2023; Athen.
  7. Coste G, Lemaitre F. The Role of Intra-Patient Variability of Tacrolimus Drug Concentrations in Solid Organ Transplantation: A Focus on Liver, Heart, Lung and Pancreas. Pharmaceutics 2022;14(2):379.
  8. Adam R et al. Improved survival in liver transplant recipients receiving prolonged-release tacrolimus in the European Liver Transplant Registry. Am J Transplant 2015;15(5):1267-1282.
  9. Mulder M. Modifying tacrolimus related toxicity after liver transplantation comparing Envarsus®and Advagraf®: a multicenter randomised controlled trial.ESOT 2023; 17.-20. 09.2023;Abstract BOS12_14.
  10. Forsberg A. From patients to person: endpoints and tools to improve life post-transplant. Vortrag, ESOT 2023; 17.-20.09.2023; Athen.
  11. Soliman T et al. A multicenter study to assess the tolerability and effectiveness ofextended-releasetacrolimus (LCPT) in de novo liver transplant patients. ESOT 2023; 17.-20. 09.2023;Poster P073.
  12. Anft M et al. Impact of conversion of twice dailytacrolimus two once daily extended releasemeltdose tacrolimus on cellular immunity. ESOT 2023; 17.-20. 09.2023;Poster P484.

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