Personalisierte Behandlung und personenzentrierter Ansatz
Personalisierte IS in der Nierentransplantation
Bei Therapieentscheidungen im Rahmen der personalisierten IS nach Nierentransplantation (NTx) spielen laut Prof. Klemens Budde, Berlin, verschiedene Aspekte eine Rolle1 – darunter:
Immunologisches Risiko: Zur Einschätzung des immunologischen Risikos eignen sich z. B. die Empfehlungen der ENGAGE-Arbeitsgruppe, die den aktuellen Stand zur Risikostratifizierung widerspiegeln.1
Zeit nach der NTx: In den ersten 3 Monaten werden wegen des hohen Abstoßungsrisiko meist mehr und höher dosierte IS gegeben. In der Erhaltungstherapie ist bei Therapieadhärenz das Abstoßungsrisiko geringer. Deshalb kann hier die IS oft niedriger dosiert werden.1
Pharmakogenetik und Formulierung von Tacrolimus (TAC): Abhängig von genetischen Merkmalen, z. B. vom CYP3A5-Genotyp, metabolisieren Patient*innen TAC unterschiedlich schnell. Bei der auf der MeltDose®-Technologie basierenden TAC-Formulierung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (LCPT) hat der CYP3A5-Genotyp weniger Einfluss auf die TAC-Exposition im Vergleich zu TAC mit sofortiger Wirkstofffreisetzung (IR-TAC).2
Fast Metabolizer verstoffwechseln TAC schneller als Slow Metabolizer. Sie benötigen deshalb hohe Dosen, um die gewünschten Zielspiegel zu erreichen und haben so ein erhöhtes Risiko für TAC-assoziierte Nebenwirkungen wie Nierenfunktionsstörungen. Ob Patient*innen TAC schnell oder langsam metabolisieren, kann mithilfe der C/D Ratio bestimmt werden, die dazu beitragen kann, Risikopatient*innen für unerwünschte Ereignisse zu identifizieren und die immunsuppressive Therapie zu optimieren. Beispielsweise können Fast Metabolizer von einer Umstellung von IR-TAC auf LCPT durch eine bessere Bioverfügbarkeit, Dosiseinsparungen sowie eine bessere Nierenfunktion profitieren.3
Non-Adhärenz als wichtigster Risikofaktor für späte Abstoßungen: Die Wahl einer einmal statt zweimal täglich einzunehmenden TAC-Formulierung kann die Adhärenz fördern.4 Auch TAC-Nebenwirkungen wie Tremor begünstigen Non-Adhärenz. Nach dem Wechsel von IR-TAC auf LCPT kann sich der Tremor deutlich bessern.5 Zusätzlich ist es wichtig, NTx-Patient*innen zu ermutigen und empowern, regelmäßig ihre IS zu nehmen.
Personalisierte IS in der Lebertransplantation (LTx)⁶
Bei Lebertransplantierten wirken sich Begleit- und Folgeerkrankungen, die oft in Zusammenhang mit der IS stehen, häufig negativ auf das Langzeitüberleben aus. Eine Individualisierung der IS kann die Belastung durch diese Komplikationen senken, erläuterte Prof. Marina Berenguer, Valencia. Bei LTx besteht – anders als bei NTx – eine größere Gefahr für eine Über-IS als für eine Unter-IS.6
Hier rückt die Intraindividuelle Patient*innen-Variabilität (IPV) bei TAC in den Fokus: Auch bei einer einzelnen Person können die TAC-Konzentrationen schwanken – mit Phasen der Unter-IS (Abstoßungsrisiko) und Über-IS (Komplikationsrisiko). Zahlreiche Faktoren wie Non-Adhärenz oder TAC-Formulierung haben Einfluss auf die IPV.7 Eine einmal täglich einzunehmende TAC-Formulierung kann die IPV senken und die Transplantationsergebnisse verbessern, indem sie die Adhärenz erhöht und das Transplantat- und Patient*innenüberleben verbessert.8
Die TAC-Formulierung kann sich zudem auf die Toxizität auswirken, z. B. treten bei LCPT weniger Nebenwirkungen auf als bei IR-TAC, wie Daten der MOTTO-Studie9 zeigen. Weitere Verbesserungen sind nötig, um non-adhärente Patient*innen zu identifizieren.
Von der Patient*in zur Person¹⁰
Aktuelle Daten zur Immunsuppression mit LCPT vom ESOT 2023
Zahlreiche, auf dem ESOT präsentierte Abstracts und Poster untermauerten den Stellenwert von LCPT nach Transplantation:
Die niederländische MOTTO-Studie verglich den Einfluss der TAC-Formulierung (LCTP vs. herkömmlichen Retardformulierung, ER-TAC) auf die Toxizität bei LTx. Primärer Endpunkt war der zusammengesetzte Endpunkt aus einem von 3 Ereignissen: chronische Nierenerkrankung, New onset diabetes after transplantation oder Hypertonie. Ein Jahr nach LTx war dieser Endpunkt unter LCTP signifikant seltener aufgetreten als unter ER-TAC (50,9 % vs. 71,2 %, p = 0,005).9
Eine Nicht-interventionelle Studie aus Österreich untersuchte die Verträglichkeit und Wirksamkeit von LCPT bei LTx-Patient*innen, die direkt nach der Transplantation neu mit TAC behandelt wurden. Unter LCPT wurden schnell stabile TAC-Talspiegel erreicht, mit nur wenigen Dosisanpassungen. Die Leberfunktion besserte sich rasch und kontinuierlich, während die Nierenfunktion normal blieb. LCPT war im Behandlungsalltag gut verträglich.11
Wie sich eine Umstellung von IR-TAC auf LCPT auf die zelluläre Immunität auswirkt, war Fragestellung einer deutschen Studie. Während sich Phänotyp und Funktion der meisten T- und B-Zell-Populationen nach dem Wechsel auf die dosissparende LCPT-Therapie nicht veränderten, wurde ein Anstieg der regulatorischen T-Zellen im peripheren Blut beobachtet, was möglicherweise zusätzlich zum immunsuppressiven Gesamteffekt beiträgt.12
Referenzen
- Budde K. New data and guidelines to personalize treatment in kidney transplant recipients. Vortrag, ESOT 2023; 17.-20.09.2023; Athen.
- Trofe-Clark J et al. Results of ASERTAA, a Randomized Prospective Crossover Pharmacogenetic Study of Immediate-Release Versus Extended-Release Tacrolimus in African American Kidney Transplant Recipients. Am J Kidney Dis 2018;71(3):315-326.
- Thölking Get al. The tacrolimus metabolism rate influences renal function after kidney transplantation. PLoS One 2014;9(10):e111128.
- Kuypers DRJ et al. Improved adherence to tacrolimus once-daily formulation in renal recipients: a randomized controlled trial using electronic monitoring. Transplantation 2013;95(2):333-340.
- Langone A et al. Switching STudy of Kidney TRansplant PAtients with Tremor to LCP-TacrO (STRATO): an open-label, multicenter, prospective phase 3b study. Clin Transplant 2015;29(9):796-805j.
- Berenguer M. Between guidelines and personalized medicine: data and experience in liver transplantation. Vortrag, ESOT 2023; 17.-20.09.2023; Athen.
- Coste G, Lemaitre F. The Role of Intra-Patient Variability of Tacrolimus Drug Concentrations in Solid Organ Transplantation: A Focus on Liver, Heart, Lung and Pancreas. Pharmaceutics 2022;14(2):379.
- Adam R et al. Improved survival in liver transplant recipients receiving prolonged-release tacrolimus in the European Liver Transplant Registry. Am J Transplant 2015;15(5):1267-1282.
- Mulder M. Modifying tacrolimus related toxicity after liver transplantation comparing Envarsus®and Advagraf®: a multicenter randomised controlled trial.ESOT 2023; 17.-20. 09.2023;Abstract BOS12_14.
- Forsberg A. From patients to person: endpoints and tools to improve life post-transplant. Vortrag, ESOT 2023; 17.-20.09.2023; Athen.
- Soliman T et al. A multicenter study to assess the tolerability and effectiveness ofextended-releasetacrolimus (LCPT) in de novo liver transplant patients. ESOT 2023; 17.-20. 09.2023;Poster P073.
- Anft M et al. Impact of conversion of twice dailytacrolimus two once daily extended releasemeltdose tacrolimus on cellular immunity. ESOT 2023; 17.-20. 09.2023;Poster P484.
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