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Wie wirksam ist Surfactant bei "späten" Frühgeborenen?

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Verantwortlich für das Frühgeborenen-Atemnotsyndroms (RDS) sehr unreifer Frühgeborener ist der primäre Surfactantmangel – das ist durch eine Vielzahl von Studien gut belegt und die Basis für die Substitutionstherapie mit exogenem Surfactant. Für "späte" Frühgeborene mit mehr als 33 Gestationswochen ist die Datenlage dagegen spärlich. Eine aktuelle Studie hat deshalb anhand der biochemischen Zusammensetzung der bronchoalveolären Lavage-Flüssigkeit und anhand klinischer Parameter untersucht, ob für späte Frühgeborene andere Regeln gelten.

Das Atemnotsyndrom des Frühgeborenen (respiratory distress syndrome, RDS) tritt umso häufiger auf, je geringer das Gestationsalter der betroffenen Kinder ist. Doch auch "späte" Frühgeborene mit 34, 35 oder 36 Gestationswochen haben in rund 5–10 % der Fälle damit zu kämpfen. Für sehr unreife Frühgeborene ist durch Studien gut belegt, dass Surfactantmangel pathogenetisch im Vordergrund steht. Es gibt jedoch kaum Daten dazu, ob dies auch für "späte" Frühgeborene gilt. Obwohl rund drei Viertel aller Frühgeburten nach Ende der 33. Gestationswoche stattfinden, standen die biochemischen Parameter des Surfactantmangels bei ihnen bislang nicht im Fokus des wissenschaftlichen Interesses.

 

Eine in Italien und Frankreich durchgeführte, prospektive Multicenterstudie hat sich dieser Frage nun angenommen. Dazu wurde die Zusammensetzung des bronchoalveolären Lavage-Materials von 55 späten Frühgeborenen (Gestationsalter 34+0 bis 36+7 Wochen) untersucht und mit dem von 44 Frühgeborenen mit Gestationsalter zwischen 32+0 und 33+6 Wochen sowie dem von 18 Reifgeborenen verglichen, die aus nicht-respiratorischen Gründen eine Intubation benötigten und bei denen keine Lungenerkrankung vorlag. Eingeschlossen waren Frühgeborene, die aufgrund eines RDS Surfactant mithilfe des InSurE-Verfahrens (Intubation, Surfactant-Gabe, rasche Extubation mit nicht-invasiver Atmungsunterstützung) erhielten, weil ihr inspiratorischer Sauerstoffanteil (FiO₂) mindestens 2 Stunden lang bei 0,3 oder höher lag. Die demografischen Daten waren für moderate und späte Frühgeborene im Wesentlichen gleich.

 

Die bronchoalveoläre Lavage wurde bei den Frühgeborenen unmittelbar vor der Intubation vorgenommen, bei den Reifgeborenen erfolgte sie innerhalb der ersten sechs Stunden nach Intubation. Gleichzeitig wurden klinische Daten wie die periphere Sauerstoffsättigung (SpO₂), der FiO₂ sowie die SpO₂/FiO₂-Ratio erfasst. Als gutes klinisches Ansprechen auf Surfactant wurde gewertet, wenn in den ersten 6 Stunden nach Surfactantgabe der FiO₂ 0,25 nicht überschritt, um die Sättigung im Zielbereich von 92–96 % zu halten.

 

In den Lavage-Analysen fand man deutliche Abweichungen im Gehalt an zweifach gesättigtem Phospatidylcholin (DSPC) und Surfactant-Protein B (SP-B): Während DSPC bei den spät und moderat Frühgeborenen im Vergleich zu den Reifgeborenen mit 43 bzw. 30 mg/dl vs. 249 mg/dl deutlich verringert war, fand man bei ihnen weit mehr SP-B (85 bzw. 75  µg/ml vs. 13  µg/ml). Entsprechend war auch die molare SP-B/DSPC-Ratio bei den Frühgeborenen signifikant höher als bei den Reifgeborenen (10 bzw. 15 vs. 0,2; p jeweils <0,001). Die Unterschiede zwischen den moderat und den spät Frühgeborenen waren dagegen geringfügig und nicht signifikant.

 

Auch der Gesamt-Proteingehalt (TP) in der Lavage bei den spät und moderat Frühgeborenen war mit 19 bzw. 17 mg/ml höher als bei den Reifgeborenen mit 9 mg/ml (p<0,001). Für die Interleukin-6 (IL-6)-Konzentration war dieser Unterschied mit 2,9 bzw. 2,7 pg/ml vs. 2,5 pg/ml etwas weniger deutlich ausgeprägt (p=0,04). Dies könnte ein Hinweis für Inflammationsreaktionen bei den Frühgeborenen sein, die möglicherweise subklinisch bleiben. Keine Unterschiede ergaben sich im Gehalt an Interleukin 1β und Tumornekrosefaktor α.

 

Diese Ergebnisse belegen – so die Schlussfolgerung der Autoren – dass sich das RDS bei spät Frühgeborenen biochemisch nicht von dem unreiferer Kinder unterscheidet und auch bei ihnen ein primärer Surfactantmangel pathophysiologisch eine wesentliche Rolle spielt. Daher ist auch bei ihnen die Surfactant-Substitution substanziell. Die Chancen auf ein gutes klinisches Ansprechen waren höher, je früher im Verlauf die Surfactantgabe erfolgte und je niedriger der FiO₂ und die SpO₂/FiO₂-Ratio vor der Applikation waren.

Referenzen

Lanciotti L, Sartori A, Simonato M, Correani A, Cogo P, Burattini I, Giorgetti C, Centorrino R, Loi B, De Luca D, Carnielli V. Biochemical features and clinical factors influencing response to surfactant treatment among infants born late preterm with respiratory distress syndrome. J Pediatr 2025 May 13; 284: 114644. doi: 10.1016/j.jpeds.2025.114644 [epub ahead of print]

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