Ein kleines Mädchen auf einem Dreirad wird von einem kleinen Jungen angeschoben

Wie geht es ehemaligen Frühchen in der Kindheit wirklich?

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Die meisten Studien zur Langzeitprognose sehr unreifer Frühgeborener fokussieren auf chronische Erkrankungen und entwicklungsneurologische Defizite. Doch den Autoren einer aktuellen US-amerikanischen Studie greift das zu kurz, da das subjektive Erleben der Betroffenen dabei nicht abgebildet wird. Daher sind sie einen anderen Weg gegangen und haben untersucht, ob und inwieweit das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden ehemaliger Frühgeborener durch in der Neonatalzeit erlittene Komplikationen oder neurokognitive Entwicklungsdefizite bzw. eine Zerebralparese beeinträchtigt wird.

Die Analyse basiert auf Daten aus drei großen multizentrischen Studien: der ELGAN-Kohorte (Extremely Low Gestational Age Newborn), die Frühgeborene der Geburtsjahre 2001 bis 2004 untersucht hat, sowie der DINE-Studie (Developmental Impact of NICU Exposures) und der NOVI-Kohorte (Neurobehavior and Outcomes in Very Preterm Infants), die Frühgeborene eingeschlossen hat, die zwischen 2010 und 2020 bzw. 2014 und 2016 geboren wurden. Insgesamt haben an diesen Studien 2560 Frühgeborene teilgenommen, von denen die Daten von 1368 in die aktuelle Auswertung eingeflossen sind. Zu den Einschlusskriterien gehörte neben einem Gestationsalter unter 32 Wochen die in den Studiendaten dokumentierte Diagnose von mindestens einer der folgenden Erkrankungen: bronchopulmonale Dysplasie (BPD), nekrotisierende Enterokolitis (NEC) Grad II oder höher und/oder interventrikuläre Blutung jeglichen Schweregrades (IVH). Im korrigierten Alter von 24 Monaten wurde die neurokognitive Entwicklung anhand der Bayley-Scales überprüft. Werte unter 70 wurden dabei als neurologische Entwicklungsverzögerung interpretiert. Außerdem floss das Vorliegen einer Zerebralparese in die Analyse ein. Im weiteren Verlauf schätzten die Eltern der dann 3- bis 8-jährigen Kinder der DINE- und der NOVI-Studie mithilfe von Fragebögen den allgemeinen Gesundheitszustand und die Lebenszufriedeneit ihrer Kinder ein. In der ELGAN-Kohorte gaben die 14- bis 20-jährigen Jugendlichen darüber selbst Auskunft und wurden außerdem auch zum Lebenssinn befragt. 

Lebenszufriedenheit

Die Auswertung ergab, dass Kinder, die in ihrer Neonatalzeit eine BPD oder eine NEC erlitten hatten, im Kindesalter ähnlich zufrieden mit ihrem Leben waren wie Kinder, denen diese Komplikationen erspart geblieben waren. Dies galt ebenfalls für Kinder mit einer neurokognitiven Einschränkung. Lediglich bei Kindern mit einer IVH in der Vorgeschichte gaben die Eltern eine leicht verminderte Lebenszufriedenheit an (T-Score-Differenz –1,83). Die Selbsteinschätzung der Jugendlichen ergab dagegen für keine der drei Morbiditäten eine relevante Abweichung.

Globale Gesundheit

Die allgemeine Gesundheit war nach BPD in der frühen Kindheit mit einer T-Score Differenz von –1,90 etwas erniedrigt, doch dieser Unterschied war im Jugendalter nicht mehr nachweisbar. Die Diagnose einer NEC oder IVH schränkte die Einschätzung der allgemeinen Gesundheit weder im Kindes- noch im Jugendalter ein, ebenso wie die einer neurologischen Entwicklungsverzögerung. 


Lediglich bei Vorliegen einer Zerebralparese empfanden die Eltern bei ihren Kindern eine leichte Beeinträchtigung der allgemeinen Gesundheit, die jedoch in der Selbsteinschätzung der Jugendlichen nicht reproduzierbar war. 

Lebenssinn

Die Frage nach dem Lebenssinn wurde lediglich für die ELGAN-Teilnehmer gestellt, aber nicht in den Elternfragebögen der DINE- und NOVI-Studien. Auch hier waren keine Unterschiede in den Angaben der Jugendlichen nachweisbar, die in einem Zusammenhang mit einer der drei neonatalen Morbiditäten standen. Lag eine Zerebralparese vor, war sogar eine geringgradig positive T-Score-Differenz von 2,56 nachweisbar.

 

Generell waren die Aussagen der selbst befragten Jugendlichen in allen drei Bereichen etwas günstiger als die Eltern-Einschätzungen. Die Wissenschaftler deuten dies im Licht der zunehmenden Lebenserfahrung und Autonomie der Kinder, die bei ihnen zu einer gesteigerten Resilienz führen könnte.


Man muss jedoch einschränkend berücksichtigen, dass möglicherweise die kränkeren Kinder und Jugendlichen in dieser Stichprobe gar nicht erfasst waren, wenn sie beispielsweise aufgrund kognitiver oder motorischer Beeinträchtigungen gar nicht in der Lage waren, den Fragebogen auszufüllen.


Aufgrund der vorliegenden positiven Ergebnisse plädieren die Autoren dafür, in zukünftigen Studien nicht nur das Vorhandensein oder das Fehlen von Krankheiten oder Beeinträchtigungen in den Fokus zu nehmen, sondern ganz gezielt auch stärkenbasierte, positiv ausgerichtete Messwerte zu erfassen. 

Referenzen

Logan JW, Tang X, Greenberg RG, Smith B, Jacobson L, Blackwell CK, Hudak M, Aschner JL, Lester B, O'Shea BL on behalb of Program Collaborators for environmental Influences on Child Health Outcomes. Neonatal morbidities, neurodevelopmental impairments, and positive health among children surviving birth before 32 weeks of gestation. J Peds 2025; 277: 114376.

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