Beatmetes Frühchen in einem Brutkasten

Stellen wir die BPD-Diagnose zu früh?

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Per Definition wird das Vorliegen einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) im postmenstruellen Alter von 36 Wochen bestimmt. Doch um die BPD als Prognosekriterium für die spätere neurokognitive Entwicklung nutzen zu können, wäre möglicherweise ein späterer Diagnosezeitpunkt im Alter von 40 Wochen postmenstruell aussagekräftiger.

Zur Prognose der späteren Lungengesundheit ist das Vorliegen einer bronchopulmonale Dysplasie (BPD) nur bedingt geeignet. Es gibt Hinweise dafür, dass die Aussagekraft größer sein könnte, wenn man den Zeitpunkt der BPD-Diagnose nicht auf das postmenstruelle Alter von 36 Wochen festlegt (BPD36), sondern diese Einordnung erst mit 40 Wochen vornimmt (BPD40). Möglicherweise könnte sich dadurch auch die prognostische Aussagekraft der BPD hinsichtlich der neurokognitiven Entwicklung verbessern. 

 

Dieser Frage sind Wissenschaftler um Olivier Baud mit einer Post-hoc-Analyse von Daten der PREMILOC-Studie nachgegangen. In der PREMILOC-Studie hatte man randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert 523 extrem unreife Frühgeborene mit weniger als 28 Gestationswochen während der ersten 10 Lebenstage entweder prophylaktisch mit niedrig dosiertem Hydrocortison oder mit Placebo behandelt. 

 

377 dieser Kinder konnten nun im korrigierten Alter von 22 Monaten neuropsychologisch nachuntersucht werden. Dabei kam der überarbeitete Brunet-Lezine-Test (RBL) zum Einsatz, der unterschiedliche Entwicklungsbereiche evaluiert, darunter auch die Grob- und Feinmotorik, die visuell-räumliche Koordination sowie Sprache und Sozialverhalten der Kinder. Eine vollständige Testung war bei 302 Kindern möglich. 

 

Anschließend versuchten die Forscher, ein Modell zu entwickeln, mit dem sich bereits in der Perinatalzeit die spätere psychomotorische Entwicklung prognostizieren lässt. Dazu wurden die in der PREMILOC-Studie erhobenen Daten der untersuchten Kinder reevaluiert. Berücksichtigt wurden neben den Baseline-Charakteristika wie Geburtsalter und -gewicht, sozioökonomischer Status der Mutter, Art und Dauer einer Atmungsunterstützung, Begleiterkrankungen etc. auch der BPD-Status im Alter von 36 bzw. 40 Wochen postmenstruell. 

 

Unter den Basis-Charakteristika kristallisierten sich nur zwei als prognostisch signifikant ungünstig für die neurokognitive Entwicklung heraus: Gestationsdiabetes der Mutter sowie männliches Geschlecht. Lag darüber hinaus eine BPD36 vor, verschlechterte dies die Prognose zusätzlich. Doch einen wesentlich größeren Beitrag zur prognostischen Trennschärfe stellte die BPD40 dar. 

 

In der PREMILOC-Studie war ursprünglich getestet worden, ob sich mit Hydrocortison die Chance auf ein Überleben ohne BPD36 verbessern lässt. Tatsächlich überlebten 60 % der Kinder im Interventionsarm ohne BPD36, was im Placeboarm nur bei 51% der Fall war (p=0,04). Das entsprach einer Number needed to treat (NNT) von 12 – mit anderen Worten: Man muss 12 Frühgeborene mit Hydrocortison behandeln, um dadurch eines vor Tod oder BPD36 zu bewahren. 

 

Wählt man stattdessen das Überleben ohne BPD40 als Endpunkt, sind es 65,9 % der Frühgeborenen im Interventionsarm, die diesen Endpunkt erreichen. Im Placeboarm liegt diese Rate hingegen nahezu unverändert bei 51,5%. Das entspricht einer NNT von 5,7 – die Zahl der Kinder, die von einer prophylaktischen Gabe von Hydrocortison profitieren, würde bei BPD40 also auf  1 von 6 ansteigen. Dieses Ergebnis war mit p<0,0001 hoch signifikant.

 

In der PREMILOC-Studie war ursprünglich getestet worden, ob sich durch Hydrocortison das Überleben ohne BPD36 verbessern lässt. Dies war bei 60 % der Kinder im Interventionsarm der Fall, jedoch nur bei 51 % im Placeboarm (p = 0,04). Das entsprach einer Number needed to treat (NNT) von 12. Wählt man stattdessen das Vorliegen einer BPD40 als Endpunkt, verbessert sich das Überleben ohne BPD unter Hydrocortison auf 65,9 %, während es für den Placeboarm bei 51,5 % verharrt. Damit sinkt die NNT auf 5,7. Dieses Ergebnis war mit p > 0,001 hoch signifikant. Die Daten deuten also darauf hin, dass Hydrocortison nicht nur das Überleben ohne BPD verbessern kann, sondern in der Folge auch das entwicklungsneurologische Outcome im Alter von zwei Jahren günstig beeinflusst. Dabei ist die prognostische Aussagekraft deutlich besser, wenn das Vorliegen einer BPD nicht mit 36, sondern erst mit 40 Wochen postmenstruell evaluiert wird. 

Referenzen

Baud O, Lehert P, PREMILOC study group. Bronchopulmonary dysplasia to predict neurodevelopmental impairment in infants born extremely preterm. Pediatr Res 2024 Oct 24. doi: 10.1038/s41390-024-03601-w [online ahead of print].

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