Bild einer menschlichen Niere

SGLT-2i: Diabetes und NierenTx

Diabetes nach Transplantation: Wie moderne Antidiabetika helfen könnten

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Post-Transplantations-Diabetes mellitus (PTDM) ist eine typische Komplikation nach Organtransplantation. Sind moderne Antidiabetika wie Sodium-Glucose Linked Transporter-2-Inhibitoren eine mögliche Therapieoption?

Der sogenannte Post-Transplantations-Diabetes mellitus (PTDM) ist eine Komplikation, die sich bei etwa 10-40 % aller Patient*innen nach einer Organtransplantation entwickelt.1 Viele Patient*innen weisen jedoch bereits vor einer Nierentransplantation einen unentdeckten Prädiabetes auf.1 Dabei wird in einer norwegischen Studie von einer Dunkelziffer von ca. 37 % ausgegangen.1 Bei ca. 8 % liegt sogar ein unentdeckter manifester Diabetes mellitus vor.1 Die korrekte Diagnose eines PTDM ist nicht einfach: Der orale Glukosetoleranztest (OGTT) stellt den Goldstandard zur Diagnosestellung dar. Nüchternglukose, und glykosyliertes Hämoglobin (HbA1c) sind in ihrer Aussagekraft nach Transplantation limitiert, können aber unterstützend zur Risikostratifizierung herangezogen werden.1 In manchen Fällen kann ein PTDM noch Jahre nach der Transplantation auftreten, denn im Vergleich zu gesunden Spender*innen sind bei Transplantationspatient*innen auch langfristig noch signifikant mehr Störungen im Glukosestoffwechsel nachweisbar.1

 

Mögliche Risikofaktoren für PTDM sind zahlreich, als nachgewiesen gelten aber vor allem:1
 

  • Alter,
  • metabolisches Syndrom,
  • HCV- und CMV Infektionen,
  • Immunsuppression mit Calcineurininhibitoren (CNI) oder Glukokortikoiden.


Sowohl CNI als auch Glukokortikoide gehören zur immunsuppressiven Standardtherapie nach Organtransplantation.2 Die Mechanismen, wodurch die Entwicklung eines PTDM gefördert wird, sind jedoch unterschiedlich. CNI erhöhen das Risiko für einen PTDM durch Beeinflussung der Insulinsekretion, während Glukokortikoide eine Insulinresistenz fördern und den Zuckerstoffwechsel insgesamt negativ beeinflussen.1

 

Ist die Diagnose PTDM bestätigt, sehen sich Betroffene mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. So ist das Risiko für einen kardiovaskulären Tod stark erhöht.1 In prospektiven Studien wurde gezeigt, dass bei 20 % der PTDM-Patient*innen innerhalb von 8 Jahren nach Nierentransplantation ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis auftrat.1 Im Vergleich dazu trat nur bei 7% der Patient*innen ohne PTDM ein solches Ereignis auf.1 Aus diesem Grund ist bei diesem Patient*innenkollektiv ein umfassendes Diabetesmanagement und eine gründliche Nachsorge von besonders großer Bedeutung.1

KDIGO und ADA: Fehlende Evidenz für moderne Antidiabetika

Klassische Antidiabetika wie Insulin, Metformin und Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4)-Inhibitoren spielen auch bei der Therapie des PTDM eine wichtige Rolle. Bei der Insulintherapie ist die Besonderheit, dass diese anders als beim Typ-2-Diabetes (T2D) bevorzugt als Erstes eingesetzt wird.1 Dies hängt damit zusammen, dass das Therapiekonzept der sogenannten "Inselzellprotektion", also eine frühe Insulintherapie mit Basalinsulin, die Entwicklung eines PTDM potenziell verhindern kann.1 

 

Doch wie sieht es mit modernen Antidiabetika wie SGLT-2-Inhibitoren (SGLT-2i) oder Glucagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) aus? Grundsätzlich verändern eine Nierentransplantation und begleitende Therapien die bekannten Risiken und Vorteile von blutzuckersenkenden Arzneimitteln nicht wesentlich.3 Doch fehlt es für PTDM-Patient*innen an qualitativ hochwertigen Studien, denn Betroffene sind in der Regel von klinischen Studien zu Diabetes-Therapien ausgeschlossen.3 Daten müssen daher aus allgemeinen Populationen mit Diabetes extrapoliert werden, wobei Unterschiede in der Pathophysiologie des Diabetes (d. h. Diabetes nach Transplantation) und besondere Aspekte der Behandlung (wie immunsuppressive Medikamente) berücksichtigen werden müssen.3 Aufgrund der unzureichenden Datenlage sprechen sich die Fachgruppen American Diabetes Association (ADA) und Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) daher weder für noch gegen eine Therapie mit SGLT-2i aus.3 So sind SGLT-2i zwar vielversprechende Medikamente für Nierentransplantierte, da sie den intraglomerulären Druck senken und potenziell die Transplantationsergebnisse verbessern könnten.3 Diese Vorteile konnten aber noch nicht durch klinische Studien bestätigt werden.3 Zudem besteht aufgrund der Immunsuppression die Sorge vor einem erhöhten Risiko von Urogenitalinfektionen und dem nur selten auftretenden Fournier-Gangrän.1,3 

Internationaler Konsensus: Moderne Antidiabetika zu wenig eingesetzt

Eine internationale Arbeitsgruppe um Sharif et al. hat in einem Konsensus-Meeting einen anderen Standpunkt bezüglich des Einsatzes moderner Antidiabetika erörtert. Die Teilnehmer*innen waren sich einig, dass gezielte PTDM-Studien wünschenswert sind, aber die Nutzung moderner Antidiabetika auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse nicht verzögert werden sollte. So empfiehlt der Konsensus für Transplantationspatient*innen mit moderatem bis hohem Risiko für kardiorenale Ereignisse den Einsatz der modernen Antidiabetika vor Metformin:4
 

  • GLP1-RA sollten bevorzugt bei Patient*innen mit Adipositas eingesetzt werden. Es wurden einige, nicht-randomisierte Berichte publiziert, die in diesem Setting auf ein akzeptables Sicherheitsprofil ohne erhöhtes Risiko einer Abstoßung oder Transplantatversagen hindeuten.4

  • SGLT-2i sollten zur Therapie von PTDM eingesetzt werden, sobald eine stabile Transplantatfunktion erreicht ist.4 Daten aus einer prospektiven randomisierten Studie mit 44 Nierentransplantationspatient*innen mit PTDM unterstützen diese Empfehlung. So konnte in der Studie gezeigt werden, dass auch in diesem Setting der Einsatz von SGLT-2i im Vergleich zu Placebo die Blutzuckerkontrolle verbesserte und gut verträglich war.5


Der Einsatz von modernen Antidiabetika wie SGLT-2i bei PTDM-Patient*innen wird weiterhin diskutiert. Auch wenn zusätzliche qualitative Studien in diesem Setting benötigt werden, deuten bisherige Daten bereits darauf hin, dass SGLT-2i auch für PTDM-Patient*innen eine gute Therapieoptionen darstellen könnten.5 Denn dieses Patient*innenkollektiv könnte aufgrund des stark erhöhten kardiovaskulären Risikos besonders von den vorteilhaften Effekten der SGLT-2i profitieren.5 

Referenzen

  1. Albersmeyer M et al. Nephrologe 2020;15:259–267.
  2. Pilch NA et al, Pharmacotherapy. 2020 Dec 30;41(1):119–131.
  3. de Boer IH et al. Kidney International 2022:102;974–989.
  4. Sharif A et al. Nephrol Dial Transplant 2024:39(3):531–549.
  5. Strom-Halden A et al. Diabetes Care 2019;42(6):1067–1074.

 

Bildquelle: iStock.com/Mohammed Haneefa Nizamudeen

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