Nicht-invasive Beatmung – ein Überblick
Seit die Atmungsunterstützung mit kontinuierlich positivem Atemwegsdruck (CPAP) in die Versorgung von Frühgeborenen mit akutem Atemnotsyndrom (RDS) Einzug gehalten hat, wurden eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten der nicht-invasiven Beatmung (NIV) entwickelt. In einer umfassenden Übersichtsarbeit haben Manoj Biniwale und Rangasamy Ramanathan den Stellenwert der unterschiedlichen NIV-Modalitäten analysiert und sich dabei auch den diagnostischen Point-of-Care-Optionen wie Lungenultraschall oder elektrischer Impedanztomografie gewidmet.
Nicht-invasive Beatmungsstrategien:
- Non-invasive neural angepasste Atmungsunterstützung (NIV-NAVA): Der entscheidende Vorteil dieser Beatmungsoption besteht darin, dass sich die Atmungsunterstützung exakt mit dem spontanen Atemmuster des Frühgeborenen synchronisieren lässt, indem permanent die elektrische Zwerchfellaktivität erfasst wird. In Studien konnte NIV-NAVA zwar die Reintubationsraten senken, doch ein langfristiger Benefit für das pulmonale Outcome ließ sich bisher nicht belegen. Derzeit läuft dazu eine große randomisierte Studie mit 478 extrem unreifen Frühgeborenen: der DIVA-Trial.
- Hoher CPAP: Konventionell nutzt man CPAP mit einem Druck von 5–8 cm H2O, um den Kindern die Atemarbeit zu erleichtern und um zu verhindern, dass die Alveolen in der Exspirationsphase kollabieren. Bei höherem Druck besteht die Befürchtung, dass er den venösen Rückfluss zum Herzen behindern und so die Auswurfleistung des Herzens beeinträchtigen könnte. Dies haben kanadische Neonatologen untersucht und den Effekt von hohem CPAP mit einem Druck von 9–15 cm H2O in einer Crossover-Studie mit nasaler intermittierender Druckbeatmung (NIPPV) verglichen. Dabei ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Herzleistung und Atemarbeit der Kinder. Für Kinder, die einen so hohen CPAP tolerieren, könnte er eine Alternative zur NIPPV darstellen.
- Nasale Hochfrequenz-Perkussionsbeatmung (nHFPV): Die intrapulmonale Perkussionsbeatmung verbessert das Lungenrecruitment und das Mukus-Clearing. Appliziert man die Pulse mit einer Frequenz von 60–400/min, kann dies die Eröffnung der Alveolen unterstützen und das Abatmen von CO2 erleichtern. Allerdings ist dieses Verfahren bei Frühgeborenen bislang noch nicht gut untersucht. In einer kleinen randomisiert-kontrollierten Studie mit 46 Neugeborenen mit transienter Tachykardie (TTN) konnten die Kinder der nHFPV-Gruppe schneller von der Sauerstoffgabe entwöhnt werden als die Kinder des CPAP-Arms.
Neuere diagnostische Verfahren:
- Lungenultraschall (LUS): Als Point-of-Care-Methode wird der LUS in den letzten zehn Jahren in vielen NICUs vermehrt eingesetzt. Mit seiner Hilfe lässt sich sowohl das Lungenparenchym als auch die Zwerchfellfunktion beurteilen, er ist einfach einsetzbar, kostengünstig und leicht zu erlernen. Anhand von LUS-basierten Scores kann das BPD-Risiko ebenso eingeschätzt werden wie der Surfactantbedarf oder die Notwendigkeit einer invasiven Beatmung.
- Zwerchfell-Ultraschall: Anhand der sonografisch bestimmten Dicke des Diaphragmas lässt sich die Zwerchfellfunktion abschätzen. Dabei wird die Verdickung des Zwerchfells zwischen In- und Exspiration gemessen und die Beweglichkeit des Zwerchfells beurteilt. Eine Diaphragma-Atrophie ist assoziiert mit einem Extubationsversagen bei Frühgeborenen, die länger als zwei Tage mechanisch beatmet wurden.
- Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS): Mit dieser Technik ist die regionale Sauerstoff-Versorgung darstellbar. Gewebshypoxien können damit zuverlässiger und früher identifiziert werden als mit einem konventionellen Puls-Oximeter. Auch atelektatische Lungenabschnitte lassen sich mittels NIRS erkennen. Darüber hinaus könnte NIRS genutzt werden, um den applizierten Atemwegsdruck zu optimieren.
- Elektrische Impedanz-Tomografie (EIT): Die EIT macht sich zunutze, dass Luft und Flüssigkeiten eine unterschiedliche elektrische Leitfähigkeit und Impedanz haben. Auf diese Weise kann die EIT die Lungenbelüftung und die regionale Verteilung der Atemluft anzeigen. Damit lässt sich das für ein RDS typische Missverhältnis zwischen Perfusion und Ventilation diagnostizieren und die Effektivität einer nicht-invasiven Beatmung überprüfen. Auch prognostisch kann die EIT hilfreich sein: Bei Frühgeborenen, die innerhalb der ersten 30 Lebensminuten in der EIT eine schlechte Lungenbelüftung aufwiesen, ließ sich sehr akkurat der Sauerstoffbedarf mit 28 Tagen vorhersagen.
NIV im Kreißsaal
Die Leitlinien empfehlen den Einsatz von CPAP bereits im Kreißsaal, um eine frühe Intubation zu vermeiden. Doch da insbesondere bei extrem unreifen Frühgeborenen das Apnoe-Risiko hoch ist, kommt man um eine mechanische Beatmung häufig dennoch nicht herum.
- Nasensonden vs. Maskenbeatmung: Die Verwendung von Nasensonden hat sich der Maskenbeatmung als überlegen erwiesen. Beim Einsatz von Masken kommt es häufig zu Maskenlecks und zur Atemwegsobstruktion, was eine effektive Beatmung erschwert. Mit Nasensonden konnten im Vergleich zu Masken mehr Intubationen verhindert werden und auch Herzdruckmassagen waren seltener erforderlich.
- Monitoring der Atemfunktion: Ein Atemfunktionsmonitor lässt sich gut bei der Stabilisierung im Kreißsaal einsetzen. Er zeigt an, wenn es bei einer Maskenbeatmung zur Leckbildung oder zu einer Verlegung der Atemwege gekommen ist und kann auch in Schulungen hilfreich sein, um die Beatmungstechnik zu verbessern. Eine aktuelle Studie mit 90 Neugeborenen hat gezeigt, dass der Monitor signifikant dazu beiträgt, bei der positiven Druckbeatmung ein angemessenes Tidalvolumen zu erreichen und Maskenlecks zu vermeiden.
Neonatale Reflexe
Einige neonatale Reflexe können den Erfolg der NIV beeinträchtigen:
- Trigeminokardialer Reflex: Der Druck, der bei der Anwendung einer Maske auf das Gesicht des Neugeborenen ausgeübt wird, kann über den trigeminokardialen Reflex zu Apnoe und Bradykardie führen. Der Einsatz von Nasenprongs kann diesen Reflex umgehen.
- Laryngealer Chemoreflex (LCR): Der von der NIV auf den Kehlkopf übertragene Druck kann Chemo- und Mechanorezeptoren in Larynx und Lunge aktivieren, die einen Glottisschluss provozieren. Dieser Schutzreflex kann bei NIV zu Apnoe und Bradykardie und damit zu einer unwirksamen Beatmung führen. Im Tierversuch ließ sich dieser Reflex durch nasalen High-flow im Vergleich zur CPAP deutlich abschwächen.
- Hering-Breuer-Reflex: Er begrenzt das Atemzugvolumen, wenn die Dehnungsrezeptoren der Lunge aktiviert werden. Dieser Reflex kann durch die NIV-bedingte Lungeninflation aktiviert werden. Die Folge ist eine Abnahme der Atemfrequenz und des Tidalvolumens. Die Auslösung bzw. Verstärkung dieses Reflexes kann durch ein adäquates Druckniveau der NIV vermieden werden.
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