Darstellung von roten Blutkörperchen und einem weißen Blutkörperchen. Die roten Blutkörperchen sind rund und glatt, während das weiße Blutkörperchen eine unregelmäßige, stachelige Oberfläche hat und im Vordergrund deutlich hervorsticht. Die Szene zeigt die Zellen in einer mikroskopischen Ansicht, die die Unterschiede in der Struktur und Funktion der beiden Zelltypen verdeutlicht.

NAIT: Einblicke in die neonatale Alloimmun-Thrombozytopenie

NAIT: Wie gut kennen Sie sich mit der neonatalen Alloimmun-Thrombozytopenie aus?

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Sie ist die häufigste Ursache einer schweren Thrombopenie bei reifen Neugeborenen und tritt auf, wenn mütterliche Antikörper gegen kindliche Thrombozyten-Antigene in den fetalen Kreislauf gelangen. Anders als bei der Rhesus-Inkompatibilität geschieht dies häufig schon in der ersten Schwangerschaft. Die wichtigsten Fakten zur neonatalen Alloimmun-Thrombozytopenie (NAIT) im Überblick. 

NAIT: Wie gut kennen Sie sich mit der neonatalen Alloimmun-Thrombozytopenie aus?

Neonatale Thrombopenien gehören zu den häufigsten hämatologischen Auffälligkeiten in der Neugeborenenperiode und sind für rund ein Drittel aller Aufnahmen auf eine neonatologische Intensivstation verantwortlich. Bei gesunden Reifgeborenen liegt einer schweren Thrombopenie in der Mehrzahl der Fälle eine neonatale Alloimmun-Thrombozytopenie (NAIT) zugrunde. Ihre Pathophysiologie ähnelt der der Rhesus-Inkompatibilität: Vom Vater geerbte Antigene auf der Oberfläche der fetalen Blutplättchen provozieren bei der Mutter die Bildung von Antikörpern. Da diese plazentagängig sind, führen sie zum Untergang der Antigen-tragenden Thrombozyten des Feten. Im Gegensatz zur Rhesus-Inkompatibilität geschieht dies in 40–60 % bereits in einer Erstschwangerschaft; in Folgeschwangerschaften verläuft die NAIT in der Regel schwerer als zuvor und tritt meist schon früher in der Schwangerschaft auf.

 

Eine neonatale Thrombopenie ist definiert als das Absinken der Plättchenzahl unter 150.000/ml; unterschreitet sie 50.000/ml, liegt eine schwere Thrombopenie vor, bei der es vermehrt zu Hämorrhagien kommt – insbesondere bei niedrigem Gestationsalter und/oder Geburtsgewicht.

 

Bei Frühgeborenen beruht eine reduzierte Plättchenzahl in den meisten Fällen auf einer Plazentainsuffizienz, tritt innerhalb von 72 Stunden postnatal auf und verläuft innerhalb von vier Wochen selbstlimitierend. Sofern die Thrombozytenzahl dabei nicht unter 50.000/ml absinkt, ist es daher gerechtfertigt, lediglich kontrollierend zuzuwarten. Weitere häufige Thrombopenie-Ursachen bei Frühgeborenen sind neben der perinatalen Hypoxie vor allem perinatale Infektionen, insbesondere mit dem Zytomegalievirus (CMV).

 

Unter Reifgeborenen, die ansonsten klinisch unauffällig sind, gehört dagegen die NAIT zu den häufigsten Thrombopenie-Ursachen. Sie betrifft ungefähr eines von 500–1.000 Neugeborenen. Bei etwa einem von 3.000–5.000 sinkt die Plättchenzahl unter 50.000/ml, mit Blutungen manifestiert sie sich bei einem von 5.000–10.000.

 

Insgesamt wurden bisher 24 Plättchen-spezifische Alloantigene identifiziert, aufsteigend durchnummeriert als humanes Plättchen-Antigen (HPA) 1–24. Von HPA-1, -2, -3, -4, -5 und -15 existieren jeweils zwei Allele, die mit einem angehängten "a" oder "b" unterschieden werden. In der weißen Bevölkerung tritt HPA-1a mit 80 % am häufigsten auf; rund 2 % aller weißen Mütter sind HPA-1a-negativ. Dennoch entwickelt nur rund jede zehnte dieser Frauen während der Schwangerschaft entsprechende Antikörper.

 

Das klinische Bild der NAIT weist ein weites Spektrum auf: Sie kann klinisch völlig stumm bleiben, aber auch bis hin zu schweren, lebensbedrohlichen Blutungen führen. In 90 % der Fälle geht sie mit einer Purpura einher; etwa zwei Drittel der Kinder weisen außerdem Hämatome auf. Etwa 30 % der Betroffenen entwickeln eine gastrointestinale Blutung; intrakranielle Hämorrhagien findet man bei 10–20 %, retinale Einblutungen sind mit etwa 7 % seltener. Daher sollte man immer dann an eine NAIT denken, wenn sich eine neonatale Thrombopenie mit Purpura, intrakraniellen oder viszeralen Blutungen präsentiert, ohne dass es Hinweise auf eine Sepsis oder andere systemische Erkrankungen gibt, die die Hämorrhagien begründen könnten.

 

In den meisten Fällen verläuft eine NAIT selbstlimitierend innerhalb von ein bis zwei Wochen ohne langfristige negative Folgen. Daher orientiert sich die Therapie an der Thrombozytenzahl und dem klinischen Erscheinungsbild des Neugeborenen. Um keine Hirnblutung zu übersehen, sollte bei Verdacht auf NAIT stets eine kranielle Sonografie erfolgen, ggf. gefolgt von einer MRT-Bildgebung. Sind Bildgebung und Klinik unauffällig, ist eine Transfusion indiziert, wenn die Plättchenzahl unter 30.000/ml abfällt. Bei Zeichen einer größeren Blutung sollte durch Transfusionen bis zum Ende der ersten Lebenswoche dafür gesorgt werden, dass die Thrombozytenzahl 50.000/ml nicht unterschreitet; im Falle von Hirnblutungen liegt diese Grenze bei 100.000/ml. Zusätzlich kann die intravenöse Gabe von Immunglobulinen (IVIG) erwogen werden (1 g/kg/d für ein bis drei Tage); bei schweren, lebensbedrohlichen Blutungen wird – bei spärlicher Evidenz – auch die Gabe von Kortikosteroiden diskutiert (1 mg Methylprednisolon i.v. alle 8 Stunden, solange die IVIG-Infusionen erfolgen).

 

Ist die HPA-Inkompatibilität bereits vor der Geburt bekannt, sollten die Mütter bereits in der Schwangerschaft entsprechend betreut werden. Ist der Vater homozygot, ist bei allen Kindern mit einer NAIT zu rechnen, während bei Heterozygotie eine fetale HPA-Typisierung erfolgen sollte. Das weitere Vorgehen richtet sich nach der Schwere, mit der ein zuvor geborenes Kind betroffen war, sowie dem HPA-Antikörpertiter der Mutter und besteht in der wöchentlichen Gabe von IVIG; ggf. ergänzt mit Steroiden. 

 

Referenzen

Mousa SO. What to know about neonatal alloimmune thrombocytopenia (NAIT)? Ann Neonat J 2023; 5(1): 3–16

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