Besprechung von Studiendaten

MOTTO-Studie: Vergleich zweier Tacrolimus-Formulierungen nach Lebertransplantation

7 Minuten

Geringere Prävalenz kardio­vaskulärer Risiko­faktoren unter LCP-Tac im ersten Jahr nach LTx verglichen mit ER-Tac

Tacrolimus (Tac) ist der Eck­pfeiler der immunsuppressiven Therapie nach Leber­transplantation (LTx). Der Einsatz von Tac hat das Risiko einer akuten Abstoßung erheblich gesenkt und die Kurzzeit­ergebnisse verbessert, vergleichbare Erfolge bei den Langzeitergebnissen konnten jedoch bisher nicht demonstriert werden.1-3 Hinzu kommt, dass Tac mit einer Vielzahl von Neben­wirkungen in Verbindung gebracht wird, die sich möglicher­weise negativ auf die Langzeit­ergebnisse von LTx-Empfänger*innen auswirken.

 

Zu den potenziell modifizier­baren Faktoren, die mit Neben­wirkungen assoziiert werden, zählen die kumulative Tac-Exposition und die Tac-Spitzenkonzentration im Blut.4-6 Nephro­toxizität, PTDM, Bluthoch­druck und Neuro­toxizität sind die häufigsten Neben­wirkungen, die spezifisch mit CNIs in Verbindung gebracht werden, abgesehen von einem erhöhten Infektions­risiko und der Entwicklung von de-novo-Malignitäten, die für die meisten Immun­suppressiva typisch sind.7

 

LCP-Tac ist eine Tac-Formulierung mit verlängerter Wirkstoff­freisetzung, die eine neue Verabreichungs­technologie (MeltDose®) nutzt.8,9 Diese Formulierung weist im Vergleich zu den anderen verfügbaren Tac-Formulierungen geringere Schwankungen der Spitzen­werte im Blut, sowie eine höhere Bio­verfügbarkeit auf, was zu einem geringeren Dosis­bedarf führt, um eine definierte Tac-Exposition zu erreichen.8,10,11

 

Bislang wurde noch kein direkter Vergleich zwischen den beiden einmal täglich verabreichten Tac-Formulierungen (LCP-Tac und ER-Tac) durch­geführt, um die Unterschiede bei klinisch relevanten End­punkten zu bewerten. Ziel dieser randomisierten, kontrollierten Studie war es daher, zu untersuchen, ob der Einsatz von LCP-Tac im Vergleich zu ER-Tac zu einem Unterschied in der Prävalenz von PTDM, neu auftretender Hypertonie und CKD 12 Monate nach der Transplantation führt.1

Studien­design

  • prospektive Analyse von erwachsenen Patient*innen über 12 Monate, die zwischen April 2019 und Oktober 2021 am Erasmus MC, University Medical Center Rotterdam, Rotterdam, Niederlande oder dem Leiden University Medical Center, Leiden, Niederlande eine primäre LTx erhielten
  • 105 Patient*innen wurden bei Entlassung oder innerhalb von 4 Wochen nach der LTx (je nachdem, was zuerst eintrat) von IR-Tac auf LCP-Tac (n=53) oder ER-Tac (n=52) randomisiert
  • der primäre End­punkt war definiert als ein zusammengesetzter End­punkt mit einem der 3 folgenden Ereignisse: anhaltende (>3 Monate nach der Randomisierung) PTDM, neu auftretende Hypertonie und/oder CKD

Ergebnisse

  • In der ITT-Population erreichte ein statistisch signifikant geringerer Anteil der LTx-Empfänger*innen in der LCP-Tac Gruppe den kombinierten primären Endpunkt nach 12 Monaten im Vergleich zur ER-Tac Gruppe (50,9 % [27/53]; 95 % KI, 37,9-63,9 % gegenüber 71,2 % [37/52]; 95 % KI, 57,7-81,7 %; Risikodifferenz: 0,202; 95 % KI, 0,002-0,382; p = 0,046) (Abb. 1A)
  • In der PP-Analyse war der beobachtete Unterschied statistisch nicht signifikantIn der ITT-Population entwickelten weniger LTx-Empfänger*innen in der LCP-Tac Gruppe eine CKD, neu auftretende Hypertonie und PTDM als in der ER-Tac Gruppe (Abb. 1A)
  • In der PP-Population entwickelten weniger LTx-Empfänger*innen in der LCP-Tac Gruppe CKD und neu auftretende Hypertonie als in der ER-Tac Gruppe (Abb. 1B)

Abbildung 2: LTx-Empfänger*innen, die den zusammen­gesetzten primären End­punkt erreichen und nach der Transplantation eine chronische Nieren­erkrankung, eine neu aufgetretene Hypertonie und einen neu aufgetretenen Diabetes entwickeln. (A) Intention to treat und (B) per protocol zeigen den Anteil der LTx-Empfänger*innen mit 95 % KI, die den zusammen­gesetzten primären Endpunkt erreichen und die einzelnen Komponenten des zusammen­gesetzten primären Endpunkts in der ITT-Population und der PP-Population entwickeln: CKD, definiert als Grad 3 (eGFR < 60 mL/min/1,73 m2) für > 3 Monate während der Nach­beobachtung, neu auftretende Hypertonie und PTDM. In der ITT Population wurde der zusammen­gesetzte primäre Endpunkt nach 12 Monaten bei 50,9 % (27/53); 95 % KI, 37,9 %-63,9 % der LTx-Empfänger*innen in der LCP-Tac Gruppe gegenüber 71,2 % (37/52); 95 % KI, 57,7 %-81,7 % der LTx-Empfänger*innen in der ER-Tac Gruppe erreicht; Risikodifferenz: 0,202; 95 % KI, 0,002 – 0,382; p = 0,046. In der PP-Population wurde der zusammen­gesetzte primäre End­punkt nach 12 Monaten bei 41,4 % (12/29); 95 % KI, 25,5 % – 59,3 % der LTx-Empfänger*innen in der LCP-Tac Gruppe gegenüber 64,3 % (18/29), 95 % KI, 45,8 % – 79,3 % der LTx-Empfänger*innen in der ER-Tac Gruppe erreicht; Risiko­differenz: 0,229; 95 % KI, -0,051 bis 0,467; p = 0,114. eGFR, geschätzte glomeruläre Filtrations­rate; ns, nicht signifikant

  • Am Ende der Studie waren in der ITT- und PP-Population die mittleren Tacrolimus-Talspiegel in der LCP-Tac Gruppe statistisch signifikant erhöht, verglichen mit der ER-Tac Gruppe:
    • ITT-Population 7,6 ± 3,1 versus 6,3 ± 2,2 μg/L, p = 0,026
    • PP-Population 8,3 ± 3,1 versus 6,7 ± 2,1 μg/L, p = 0,033
  • Die mediane kumulative Tac-Exposition war nach Monat 12 in der LCP-Tac Gruppe höher als in der ER-Tac Gruppe:
    • ITT-Population 2697 μg∙d/L (IQR 2316-2949) versus 2357 μg∙d/L (IQR 1946-2806); p = 0,018
    • PP-Population 2707 μg∙d/L (IQR 2383-2975) versus 2612 μg∙d/L (IQR 2219-2976); p = 0,39.
  • Nach 6 und 12 Monaten wurden keine Unterschiede in der IPV zwischen den beiden Gruppen fest­gestellt
  • Die Anzahl der Abstoßungs­episoden während der Nach­beobachtung war in beiden Studien­gruppen vergleichbar

Fazit

In dieser randomisierten, kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass in der LCP-Tac Gruppe signifikant weniger LTx-Empfänger*innen den zusammen­gesetzten primären Endpunkt nach 12 Monaten erreichten verglichen mit der ER-Tac Gruppe, ohne dass dies die Wirksamkeit oder Sicherheit der Therapie negativ beeinflusste.

 

Die Verwendung von LCP-Tac hatte außerdem einen starken positiven Einfluss auf die CNI-bedingte Nephro­toxizität, da sie zu einer Verringerung der Prävalenz von CKD-Grad ≥3 (eGFR <60 mL/min/1,73 m2) >3 Monate nach LTx um 15,9 %-18,2 % führte. Darüber hinaus lag die Prävalenz des CKD-Grads ≥3 3 und 6 Monate nach der LTx in der LCP-Tac Gruppe bei 15 % bis 17 %, während die Prävalenz in der ER-Tac Gruppe in dieser Studie, wie bereits in früheren Studien beschrieben, zwischen 30 % und 50 % lag.13,14

 

Die signifikant geringere Prävalenz von neu auftretender Hypertonie in der LCP-Tac Gruppe führen die Autor*innen auf die neue Verabreichungs­technologie mit einer niedrigeren Cmax dieser Tac-Formulierung zurück. Da außerdem die IPV zwischen den Gruppen vergleichbar war, die berechnete kumulative Exposition für LCP-Tac jedoch höher, postulieren die Autor*innen, dass die niedrigere LCP-Tac Spitzen­konzentration im Blut der Faktor ist, der das günstigere kardio­vaskuläre Risiko­profil erklärt.

Abkürzungen

CKD = chronic kidney disease             

CNI = calcineurin inhibitor 

ER = extended-release 

ITT = intention to treat 

IPV = intra-patient variability 

IR = immeditate-release 

IQR = Interquartilsrange 

KI = Konfidenzintervall 

LCP = Life cycle pharma

LTx = Lebertransplantation 

PP = per protocol 

PTDM = Posttransplantations-Diabetes mellitus

Tac = Tacrolimus 

Referenzen

  1. Todo S, Fung JJ, Starzl TE, et al. Liver, kidney, and thoracic organ transplantation under FK 506. Ann Surg. 1990;212:295–305. Discussion 306.
  2. Rana A, Ackah RL, Webb GJ, et al. No gains in long-term survival after liver transplantation over the past three decades. Ann Surg. 2019;269:20–27.
  3. Ruijter BN, Inderson A, van den Berg AP, et al. Randomized trial of ciclosporin with 2-h Monitoring vs. tacrolimus with trough monitoring in liver transplantation: DELTA study. J Clin Transl Hepatol 2023;11:839–849.
  4. Neuberger JM, Bechstein WO, Kuypers DR, et al. Practical recommendations for long-term management of modifiable risks in kidney and liver transplant recipients: a guidance report and Clinical Checklist by the Consensus on Managing Modifiable Risk in Transplantation (COMMIT) Group. Transplantation. 2017;101(4S Suppl 2):S1–S56. 
  5. Rodriguez-Peralvarez M, Guerrero M, De Luca L, et al. Area under trough concentrations of tacrolimus as a predictor of progressive renal impairment after liver transplantation. Transplantation. 2019;103:2539–2548.
  6. Rodriguez-Peralvarez M, Colmenero J, Gonzalez A, et al; Chronic Immunosuppression, Cancer Spanish Consortium. Cumulative exposure to tacrolimus and incidence of cancer after liver transplantation. Am J Transplant. 2022;22:1671–1682.
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  8. Tremblay S, Nigro V, Weinberg J, et al. A steady-state head-to-head pharmacokinetic comparison of all FK-506 (tacrolimus) formulations (ASTCOFF): an open-label, prospective, randomized, two-arm, threeperiod crossover study. Am J Transplant. 2017;17:432–442. 
  9. Budde K, Bunnapradist S, Grinyo JM, et al; Envarsus Study Group. Novel once-daily extended-release tacrolimus (LCPT) versus twice-daily tacrolimus in de novo kidney transplants: one-year results of phase III, double-blind, randomized trial. Am J Transplant. 2014;14:2796–2806.
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  11. Staatz CE, Tett SE. Clinical pharmacokinetics of once-daily tacrolimus in solid-organ transplant patients. Clin Pharmacokinet. 2015;54:993–1025.
  12. Mulder MB, van Hoek B, Polak WG, et al. Modifying Tacrolimus-related Toxicity After Liver Transplantation Comparing Life Cycle Pharma Tacrolimus Versus Extended-released Tacrolimus: A Multicenter, Randomized Controlled Trial. Transplant Direct 2024;12;10(4):e1612.
  13. Allen AM, Kim WR, Therneau TM, et al. Chronic kidney disease and associated mortality after liver transplantation—a time-dependent analysis using measured glomerular filtration rate. J Hepatol. 2014;61:286–292.
  14. Mulder MB, van Hoek B, van den Berg AP, et al. Three-year results of renal function in liver transplant recipients on low-dose sirolimus and tacrolimus: a multicenter, randomized, controlled trial. Liver Transpl. 2023;29:184–195.

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