Möglichst gut leben – bis zuletzt
Fast 800.000 Kinder kamen im Jahr 2021 in Deutschland zur Welt. Über 3.400 davon wurden tot geboren, weitere 2.400 starben im Verlauf des ersten Lebensjahres – etwa die Hälfte davon bereits innerhalb der ersten sieben Lebenstage. Die Todesursachen sind neben extremer Frühgeburtlichkeit, perinataler Asphyxie oder Hydrops fetalis vor allem schwere angeborene Erkrankungen mit infauster Prognose, wie die Trisomie 13 oder 18 oder nicht korrigierbare Herzfehler.
Die Entscheidung für eine palliativmedizinische Versorgung dieser Kinder erfolgt in Abhängigkeit von der jeweiligen Prognose gemeinsam mit den betroffenen Eltern. Dabei schließen sich palliative und kurative Behandlung nicht gegenseitig aus – ein Grundsatz, der in der Beratung der Eltern unbedingt thematisiert werden sollte.
Je nach Ätiologie sind drei palliativmedizinische Wege für die Kinder denkbar:
- Palliative Geburt: Hier steht im Vordergrund, dem Kind ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, ihm dabei Leid zu ersparen und die Eltern während des Sterbeprozesses zu begleiten und zu entlasten. Häufig quält die Eltern die Sorge, dass ihr Kind unter Atemnot oder Schmerzen leiden könnte. Bei extremer Frühgeburtlichkeit sind jedoch sowohl Atemzentrum als auch Atemmechanik noch so unreif, dass diese Kinder weder Tachydyspnoen noch Agitiertheit entwickeln, sondern durch die zunehmende Hyperkapnie sediert werden.
Um zu beurteilen, ob das Kind unter Schmerzen leidet, bedarf es einer sorgfältigen Beobachtung durch erfahrene Fachkräfte mithilfe standardisierter Schmerz-Scores, beispielsweise die Neonatal Pain, Agitation and Sedation Scale. Zur Schmerzlinderung haben sich in dieser Situation – off label! – vor allem intranasal applizierbare Opioide bewährt, deren Anwendung möglich ist, ohne den engen Körperkontakt der Eltern mit ihrem Kind in der Sterbephase zu unterbrechen.
- Stationäre palliative Betreuung: Ist trotz der supportiven Möglichkeiten im Rahmen einer kurativ intendierten intensivmedizinischen Versorgung die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Kind stirbt, ist es sinnvoll, mit den Eltern frühzeitig die weiteren Therapieoptionen zu besprechen. Im Sinne einer besseren Akzeptanz und Trauerverarbeitung sollten diese palliativmedizinischen Gespräche nach Möglichkeit bereits beginnen, solange es noch eine medizinische Indikation für einen kurativen Ansatz gibt.
Kommt man gemeinsam mit den Eltern zu dem Entschluss, die Therapie zu begrenzen und die lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden, steht auch bei diesen Kindern das Vermeiden oder Behandeln von leidvollen Symptomen im Vordergrund. Dabei spielen nichtmedikamentöse Maßnahmen wie direkter Haut-zu-Haut-Kontakt mit den Eltern, manuelle Begrenzung, nicht-nutritives Saugen sowie die orale Glukosegabe eine wichtige Rolle. Morphin kann sowohl zur Schmerzlinderung als auch – in anderer Dosierung – zur Behandlung von Atemnotsymptomen eingesetzt werden.
Viele Eltern befürchten dabei eine zu starke Sedierung des Kindes. Doch bei guter Titration der Dosierung ist es im Gegenteil möglich, dass ein Kind, das zuvor ganz von der Atemnot in Anspruch genommen wurde, wieder für andere Eindrücke aufnahmefähiger und deutlich entspannter wird. Dies kann die Lebensqualität des Kindes erheblich verbessern.
Die palliativmedizinische Sedierung stellt stets eine Ultima Ratio dar.
- Spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung (SAPPV): Lässt sich der Zustand von Neugeborenen mit einer lebensbedrohlichen oder lebensverkürzenden Erkrankung so weit stabilisieren, dass sie nach Hause entlassen werden können, sollte ein SAPPV-Team die heimische Betreuung begleiten. Es umfasst neben Pflegefachkräften und Ärzt*innen auch Psycholog*innen, Seelsorger*innen sowie Fachkräfte für soziale Arbeit, die bei der Klärung vieler sozialrechtlicher Fragen Hilfestellung geben können.
Das multiprofessionelle Team unterstützt die Familie nicht nur bei der Pflege des Kindes und bei der Krankheitsverarbeitung, sondern hilft ihnen auch, sich mit Abschiedsritualen oder Ähnlichem auf den nahenden Tod vorzubereiten. Auch weitere Fachkräfte aus Ergotherapie, Musik- und Kunsttherapie können hinzugezogen werden, um die Lebensqualität des Kindes zu erhöhen. Für die Eltern entlastend ist die 24-stündige Rufbereitschaft, die die Möglichkeit bietet, im Falle von Komplikationen oder einer akuten Verschlechterung jederzeit einen Hausbesuch anfordern zu können.
Grundsätzliches Ziel aller Maßnahmen muss stets sein, die Lebensqualität von Kindern mit lebensbedrohlicher oder lebensverkürzender Erkrankung in ihrer verbleibenden Lebenszeit zu optimieren, somatisches Leid zu vermeiden, psychisches Leid zu begleiten und alle Beteiligten bei der Verarbeitung zu unterstützen. Im Einzelfall kann dies auch bedeuten, bestimmte therapeutische Maßnahmen bewusst nicht zu ergreifen.
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