Beim diesjährigen ESOT wurden drei große Studien präsentiert, die sich mit der Rolle von LCP-Tacrolimus nach Nieren-, Leber und Lungentransplantation befasst haben.3,4,5
In der multizentrischen, retrospektiven „Renvarsus“-Studie, initiiert aus Münster, konnte anhand erster Daten mit 300 Nierentransplantierten von teilnehmenden Zentren aus Deutschland und Europa gezeigt werden, dass Patient*innen mit einem sehr niedrigen Konzentration-zu-Dosis-Verhältnis (C/D-Ratio), sogenannte „Fast Metabolizer“, bereits 10 Tage nach Umstellung von Immediate release (IR)-Tacrolimus auf LCP-Tacrolimus mit einer Verbesserung der Transplantatnierenfunktion (gemessen an der eGFR) profitierten. Dagegen zeigten Patient*innen mit einer höheren C/D-Ratio, bei Slow Metabolizern zeigt sich eine Verbesserung der Transplantnierenfunktion (gemessen an der eGFR) zwischen Monat 1 bis Monat 9 nach der Umstellung auf LCP-Tacrolimus. Weitere Daten u.a. mit eGFR, Rejektionsraten, Infektionsraten und Blutdruck mit zusätzlichen Zentren über eine Verlaufsbeobachtung von bis zu 5 Jahren sollen zeitnah publiziert werden.3
Aber auch bei anderen Organtransplantationen wurde LCP-Tacrolimus untersucht. So konnte in einer retrospektiven Single-Center-Analyse aus Münster an 170 lebertransplantierten Patient*innen, von denen 63 auf LCP-Tacrolimus umgestellt und 2 Jahre verlaufskontrolliert wurden, gezeigt werden, dass diese durch die Umstellung mit einer besseren Nierenfunktion (gemessen an der eGFR) und einer verbesserten C/D-Ratio im Vergleich zu den 107 auf anderen Tacrolimus-Formulierungen belassenen Patient*innen profitieren.4
Weiterhin wurden Daten der prospektiv randomisierten „Revolution“-Studie an 70 lungentransplantierten Patient*innen vorgestellt. Dabei wurden 34 stabile Patient*innen ein Jahr nach Lungentransplantation auf LCP-Tacrolimus umgestellt und 36 Patient*innen mit IR-Tacrolimus weiter behandelt und 2 Jahre verlaufskontrolliert. Dabei konnte in beiden Gruppen kein Unterschied an CNI assoziierten oder mit der Transplantation assoziierten Nebenwirkungen wie Blutdruck, Post-Transplant-Diabetes oder Infektionen festgestellt werden. Zudem bot sich kein Unterschied bei der eGFR im Rahmen des zweijährigen Beobachtungszeitraums in beiden Gruppen.5 Aus der „Revolution“ Kohorte lungentransplantierter Patient*innen wurde noch ein weiteres Poster präsentiert, dass bei diesen Patient*innen den Tremor anhand objektivierbarer Bewertungskriterien erfasst hat. Auch hier war kein Unterschied beim Tremor zwischen Patient*innen unter LCP-Tacrolimus im Vergleich zu IR-Tacrolimus detektierbar.6
Eine weitere Studie aus Ungarn verglich 50 de-novo Nierentransplantatempfänger*innen unter LCP-Tacrolimus mit 50 de-novo Nieren-transplantatempfänger*innen unter Extended release (ER-) Tacrolimus in einem 5 Jahres-Follow-up. Hier konnte unter LCP-Tacrolimus eine günstigere C/D-Ratio erreicht werden. Dabei lag zudem ein höherer Anteil der mit LCP-Tacrolimus behandelten Patient*innen im angestrebten therapeutischen Zielbereich für Tacrolimus. Kein signifikanter Unterschied konnte dabei in der Nierenfunktion, der Rejektionsrate sowie in den Morbiditäts- und Mortalitätsdaten gefunden werden. Dabei ist wichtig anzumerken, dass es einen signifikanten Altersunterschied zwischen den ER-Tac- und LCP-Tac-Patient*innen gab (45 Jahre vs. 55 Jahre, p < 0,001).7
In einem Kurzvortrag (Brief Orals) wurden die Daten einer spanischen Studie mit 168 nierentransplantierten Patient*innen vorgestellt, in welcher die Pharmakokinetik von 4 verschiedenen Anfangsdosierungen von LCP-Tacrolimus (0,08; 0,10; 0,12 und 0,15 mg/kg/Tag) verglichen wurden. Alle Patient*innen erhielten eine initiale Immunsuppression mit Thymoglobulin, Sirolimus und Prednison. LCP-Tacrolimus wurde bei einem Serumkreatinin von < 3 mg/dL begonnen. Die Talspiegel (C0) und AUC wurden nach 72 Stunden bestimmt. Die niedrigste Dosis (0,08 mg/kg/Tag) führte zu Tacrolimus-Talspiegeln in einem für die Studie definierten therapeutischen Bereich von 6–8 ng/mL, einer adäquaten AUC, einer geringeren Rate supratherapeutischer Werte und weniger Dosispausen. Die Nierenfunktion (gemessen anhand der eGFR und der Serumkreatinin-Spiegel) war nach drei Monaten in allen Gruppen vergleichbar. Ein Abweichen der gemäß Fachinformation empfohlenen initialen Dosis von 0,17 mg/kg/Tag zu niedrigeren Dosen erscheint daher möglich.8,19
Adäquate Tacrolimus-Talspiegel sind entscheidend für den langfristigen Erhalt der Transplantatfunktion und die Vermeidung von Abstoßungsreaktionen. Hierzu konnte aus Daten einer großen Kohortenstudie mit 5.293 Nierentransplantatempfänger*innen aus dem Korean Organ Transplant Register (KOTRY) gezeigt werden, dass hohe Tacrolimus-Talspiegel (C0 >9,5 ng/mL) bei Entlassung mit mehr Infektionen (28,1 %) assoziiert sind, während niedrige Tacrolimus-Talspiegel (C0 < 5,9 ng/mL) das Risiko für akute Abstoßung dagegen nur bei immunologisch Hochrisikopatient*innen (33,9% mit BPAR) erhöhen. Die Autoren schließen daraus, dass bereits früh nach Transplantation eine individuell angepasste Tacrolimus-Therapie erfolgen sollte.9
Nach Lebertransplantation konnte in einer weiteren retrospektiven Single-Center-Studie aus Korea an 1.117 Lebertransplantatempfänger*innen gezeigt werden, dass ein Tacrolimus-Talspiegel unter 6 ng/mL mit einem besseren Langzeitüberleben mit geringerer Abstoßungsrate assoziiert war, ohne Einfluss auf das Risiko eines HCC-Rezidivs.10
Dagegen zeigte eine Kohortenstudie an 183 Patient*innen nach simultaner Pankreas- und-Nierentransplantierten (PNTx) und 1.239 Patient*innen nach Nierentransplantation, dass PNTx-Patienten in der Frühphase nach Transplantation bei gleichem Tacrolimus-Talspiegel (C0) eine geringere Wirkstoffexposition (AUC) aufweisen als nierentransplantierte Patient*innen. Die Autoren schließen, dass nach PNTx daher im ersten Jahr ein höherer Zielbereich von 6–8 ng/ml angestrebt werden sollte zur Vorbeugung eines Rejektionsgeschehens.11
Eine hohe intraindividuelle Variabilität (IPV) der Tacrolimus-Exposition stellt ein weiteres Problem dar in der Nachsorge nierentransplantierter Patient*innen, da sie mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Transplantatverläufe und eingeschränkter Therapiesicherheit assoziiert ist. Hierzu wurden 2 Poster aus einer koreanischen retrospektiven Single-Center-Kohortenstudie an über 1.900 adulten Nierentransplantatempfänger*innen vorgestellt, welche die IPV über das erste Jahr nach Transplantation hinaus im Langzeitverlauf untersuchte. Die Autoren zeigten, dass eine dauerhaft niedrige intraindividuelle Variabilität (IPV, d.h. IPV blieb über den Beobachtungszeitraum „low“) der Tacrolimus-Talspiegel über das erste Jahr hinaus mit einem signifikant besseren Transplantatüberleben assoziiert ist. Dieser Effekt konnte nicht beobachtet werden, wenn die Patient*innen in dem beobachteten Zeitraum eine schwankende IPV hatten, d.h. von low zu high IPV wechselten oder umgekehrt. Eine anhaltend hohe IPV stellt hingegen einen unabhängigen Risikofaktor für Transplantatverlust dar, und ein Anstieg der IPV nach dem ersten Jahr korrelierte mit einer erhöhten Bildung von de-novo Donor spezifischen Antikörpern.12
Zudem konnte gezeigt werden, dass insbesondere bei älteren Transplantatempfänger*innen (>60 Lebensjahre) eine hohe IPV unabhängig vom Tacrolimusspiegel mit einem schlechteren Transplantatüberleben assoziiert war. Hingegen zeigten ältere Transplantempfänger*innen mit niedriger IPV (IPV < 30%) und niedrigen Tacrolimus-Spiegeln (< 4ng/dL) das längste Rejektionsfreie Intervall.13
Pharmakogenetische Untersuchungen zeigen, dass CYP3A5-Genvarianten erheblich die Tacrolimus-Dosis beeinflussen, da sogenannte „Expressoren“ den Wirkstoff schneller abbauen. In einem australischen Transplantationszentrum wurde der Nutzen präemptiver pharmakogenetischer Tests vor Nierentransplantation untersucht. Von 81 getesteten Patient*innen auf der Warteliste waren 22 % CYP3A5-Expressoren. Expressoren nach Nierentransplantation ohne Genotyp gesteuerte Dosierung (GGD) benötigen im Schnitt drei Mal so viel Tacrolimus und erreichten deutlich später (8 statt 3 Tage) therapeutische Blutspiegel im Gegensatz zu Nicht-Expressoren. Bei CYP3A5-Expressoren mit GGD (mit der 1,5-fachen Standarddosis auf Gewichtsbasis) wurde die Zielkonzentration bereits nach 2 Tagen erreicht, vergleichbar mit Nicht-Expressoren, bei gleichzeitig weniger Dosisanpassungen in den ersten 30 Tagen – was die Wirksamkeit personalisierter Tacrolimus-Therapie anhand genetischer Profile nahelegt.14
Auch KI-gestützte Systeme könnten zukünftig einen Einfluss auf Tacrolimusdosisfindung im klinischen Setting haben. Hierzu wurde TacroSafe, eine KI-gestützte Anwendung zur personalisierten Tacrolimus-Dosisanpassung bei Nierentransplantierten, vorgestellt. Sie analysiert patientenspezifische Daten wie Tacrolimusspiegel, Nierenfunktion, Infektionsmarker und Begleitmedikation, um präzise Dosisanpassungen vorzuschlagen. In ersten Tests mit simulierten Datensätzen konnte die Anwendung therapeutische Zielbereiche von 8–10 ng/mL zuverlässig einhalten. Prospektive klinische Studien sind geplant, um die Wirksamkeit im klinischen Alltag zu validieren.15
Eine österreichische Studie zur Adhärenz bei der Tacrolimuseinnahme, die AdTorque-Studie, untersuchte die medikamentöse Adhärenz von Nierentransplantierten anhand von Pharmacy Refill Records (PRR) über einen Zeitraum von zwei Jahren. Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede in der Adhärenz zwischen Tacrolimus (72,4 %) und Mycophenolat (87,3 %), wobei die auf der PRR-basierten Bestimmung der Adhärenz nicht mit Selbstberichten oder klinischen Ereignissen wie Abstoßungen korrelierten. Die Ergebnisse legen nahe, dass PRR allein nicht ausreichen, um Adhärenz zuverlässig zu beurteilen, und dass auch substanzspezifische Unterschiede berücksichtigt werden müssen.16
Eine Verbesserung des Therapeutic drug monitoring nach Transplantation durch eine verbesserte Heimüberwachung könnte die Bestimmung von Serumkreatinin und Tacrolimus aus Trockenblut, entnommen via Kapillarblut aus der Fingerkuppe, sein. Hierzu konnte anhand von Daten einer Validierungsstudie aus Berlin an 78 Proben nierentransplantierter Patient*innen eine gute Korrelation von Tacrolimus und Serumkreatinin zwischen Bestimmung aus Trockenblut und Standardmessung aus venösem Blut gezeigt werden (Tacrolimus: r=0,852; Kreatinin: r=0,822). Die Tacrolimusspiegel waren aus dem Trockenblut im Mittel um +1,51 ng/mL höher, Kreatinin um -0,35 mg/dL niedriger als im venösen Blut.17 Ähnlich hierzu wurden erst kürzlich Daten aus München zur Quantifizierung von Tacrolimus, Cyclosporin A und Kreatinin aus Trockenblut über Abnahme via Mitra-Device und Messung mit einem ähnlichen Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektrometrie-Verfahren publiziert. Hier konnten in der Validierung die Genauigkeitskriterien der Richtlinien der EMA und FDA mit einer Abweichung von weniger als 15% erreicht werden.18
Referenzen
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