Sehr unreife Frühgeborene: Als Kinder zu leicht, als Erwachsene häufiger übergewichtig
Frühgeborene haben bei Geburt, aber auch während ihrer ersten Lebensjahre oft einen geringeren Body-Mass-Index (BMI) als gleichaltrige Reifgeborene. Dies gilt umso mehr, je unreifer sie zur Welt gekommen sind. Kinder, die mit weniger als 32 Gestationswochen geboren wurden, zeigen zudem auch postnatal häufig zunächst ein beeinträchtigtes Wachstum. Meist holen sie dies innerhalb der ersten beiden Lebensjahre zwar wieder auf, bleiben aber während der Kindheit in der Regel zarter, kleiner und leichter als ihre reif geborenen Altersgenossen.
Doch wie geht es dann weiter? Dieser Frage ist eine große Individual-Participant-Data-Metaanalyse nachgegangen, in die die Daten von über 250.000 Mutter-Kind-Paaren aus 16 europäischen Kohortenstudien eingegangen sind. Abhängig vom jeweiligen Gestationsalter wurde untersucht, wie sich das Wachstum von Früh- und Reifgeborenen während der gesamten Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter hinein gestaltet. Dabei wurden die erhobenen Daten um eine Reihe mütterlicher Einflussfaktoren bereinigt, wie mütterlicher BMI, Bildungsstand und Ethnizität, Alter bei der Geburt, Rauchen während der Schwangerschaft, Gestationsdiabetes, Gestationshochdruck und Präeklampsie. Von frühester Kindheit bis zum Alter von 19 Jahren wurden insgesamt 711.856 BMI-Messungen durchgeführt. Diese Daten wurden nach Gestationsalter der Kinder gestaffelt und in fünf Gruppen ausgewertet:
- sehr unreife Frühgeborene: Gestationsalter 28–33 Wochen
- "späte" Frühgeborene: Gestationsalter 34–36 Wochen
- "frühe" Reifgeborene: Gestationsalter 37—38 Wochen
- Reifgeborene: Gestationsalter 39–41 Wochen
- Postreifgeborene: Gestationsalter 42 Wochen oder mehr
Dabei zeigte sich erwartungsgemäß, dass der BMI im ersten Lebenshalbjahr direkt mit dem Gestationsalter korrelierte und für sehr unreife Frühgeborene deutlich niedriger war als für "späte" Früh- oder Reifgeborene. Diese Abweichung wurde im Verlauf der Kindheit bis etwa zum Alter von 9 Jahren jedoch immer geringer und war mit 14 bis 19 Jahren nicht mehr nachweisbar. Die Autoren folgern daraus, dass die meisten Frühgeborenen ihren Wachstumsrückstand bis zum Erwachsenenalter gut aufholen.
Auch das Risiko, übergewichtig zu werden, war im Alter bis zu einem halben Jahr deutlich vom Gestationsalter abhängig, mit dem geringsten Risiko für sehr unreife Frühgeborene und dem höchsten für Postreifgeborene. Dieser Unterschied war bis etwa zum Alter von fünf Jahren erkennbar, wurde jedoch im Verlauf immer geringer. Mit 9 bis 14 Jahren kam Übergewicht bis auf die sehr unreifen Frühgeborenen bei allen Kindern unabhängig vom Gestationsalter gleich häufig vor und war lediglich bei den sehr unreifen Frühgeborenen seltener.
Dieser Zusammenhang drehte sich jedoch mit Abschluss der Pubertät um 180 Grad: Unter den 14- bis 19-Jährigen wiesen plötzlich die sehr unreifen Frühgeborenen im Vergleich zu Reif- oder Postreifgeborenen ein um den Faktor 1,5 signifikant höheres Risiko auf, übergewichtig zu werden. Für die "späten" Frühgeborenen war lediglich ein nicht-signifikanter Trend zu mehr Übergewicht nachweisbar.
Möglicherweise, so eine Annahme der Autoren, begünstigt die im Vergleich zu Reifgeborenen beschleunigte Gewichtszunahme bei sehr unreifen Frühgeborenen während des Aufholwachstums in der Kindheit die Entwicklung von Übergewicht im jungen Erwachsenenalter.
Inhalt teilen