Coffein: Sind Überdosierungen ein Thema?
Coffeincitrat gehört zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten bei Frühgeborenen, seit Studien gezeigt haben, dass es sowohl das Risiko für Apnoen als auch für die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie senkt und das neurologische Outcome der Kinder langfristig verbessert. Die effektive Coffein-Serumkonzentration liegt bei 5–30 mg/l. Um sie aufrechtzuerhalten, wird meist eine Erhaltungsdosis von 5–10 mg/kg/d verabreicht. Spiegelkontrollen werden dabei in der Regel nicht durchgeführt, da mit Vergiftungserscheinungen erst ab einer Serumkonzentration von 50 mg/l zu rechnen ist. Bisher ging man davon aus, dass die Serumspiegel bei der normalen Erhaltungsdosis deutlich unter dieser Grenze bleiben.
Eine aktuell veröffentlichte Studie einer japanischen Arbeitsgruppe weckt indes Zweifel an dieser Annahme: Retrospektiv wurden Serumproben von 24 Frühgeborenen untersucht, die zwischen 2018 und 2021 mit einem durchschnittlichen Gestationsalter von 27 Wochen und einem Geburtsgewicht um die 1000 Gramm zur Welt gekommen und aufgrund von Frühgeborenen-Apnoen mit Coffeincitrat behandelt worden waren. Die Initialdosis betrug 20 mg/kg, gefolgt von einer täglichen Erhaltungsdosis von 5–10 mg/kg.
Von jedem Kind wurde eine Serumprobe ausgewertet, die 2–3 Stunden vor Beginn der Coffeintherapie abgenommen worden war. Weitere Proben folgten während des Behandlungsverlaufs, nachdem die Frühgeborenen die Initialdosis sowie mindestens zwei Erhaltungsdosen erhalten hatten. Insgesamt wurden 272 Serumproben untersucht. Von diesen stammten 150 von 10 extrem unreifen Frühgeborenen unter 28 Gestationswochen, die restlichen 122 Proben von 14 Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 28 bis 30 Wochen. Die gemessenen Coffein-Serumkonzentrationen korrelierten mit der verabreichten Erhaltungsdosis pro Körpergewicht, aber nicht mit dem Gestationsalter. Lag die Erhaltungsdosis unter 8 mg/kg, rangierte die Serum-Coffeinkonzentration in 151 Fällen im therapeutischen Bereich zwischen 5 und 30 mg/l; die Grenze zur Intoxikation in Höhe von 50 mg/l wurde in keiner der übrigen 12 Proben überschritten. Dagegen erzielte man die therapeutisch erwünschte Serumkonzentration bei einer Erhaltungsdosis von 8 mg/kg oder mehr nur in 25 von 109 Proben, während 16 (15 %) sogar im toxischen Bereich lagen.
Keine Vergiftungssymptome nachweisbar
Die gute Nachricht: Symptome einer Coffeinvergiftung wie Tachykardie, Erbrechen, vermehrte Reflux-Episoden, Tachypnoe, Fütterschwierigkeiten oder erhöhte Irritabilität waren bei keinem der Frühgeborenen dokumentiert. Zum Zeitpunkt der Entlassung waren auch keine intrakraniellen Blutungen oder periventrikuläre Leukomalazien nachweisbar. Lediglich ein Frühgeborenes entwickelte eine Kleinhirnblutung – bei diesem Kind betrug die höchste gemessene Coffeinkonzentration bei einer Erhaltungsdosis von 9 mg/kg jedoch nur 35,7 mg/l – lag also deutlich unter der Grenze zur Intoxikation.
Coffeinspiegel hängt von der Nierenfunktion ab
Da bei Frühgeborenen Coffein noch nicht hepatisch mittels CYP1A2 metabolisiert, sondern überwiegend ohne tubuläre Sekretion oder Reabsorption unverändert renal ausgeschieden wird, ist der Serumspiegel direkt umgekehrt proportional zur glomerulären Filtrationsrate (GFR). Unterschiedliche Serumkonzentrationen bei gleicher Coffeindosis dürften also durch eine unterschiedliche GFR bedingt sein, vermuten die Autoren. Dies sollte in künftigen Studien weiter evaluiert werden.
Allerdings scheint für die Entwicklung von Vergiftungssymptomen nicht nur die absolute Höhe des Serum-Coffeinspiegels eine Rolle zu spielen, sondern auch, wie rasch dieser Spiegel in die Höhe schnellt. Die in der Literatur beschriebenen Fälle einer symptomatischen Coffeinintoxikation bei Früh- und Neugeborenen beruhen alle auf einer einmaligen zu hohen Coffeingabe. Bei den in dieser Studie untersuchten Kindern entwickelte sich der Anstieg hingegen gemächlich. Bei keinem überschritt die Serum-Coffeinkonzentration die 50-mg/l-Schwelle innerhalb der ersten 7 Behandlungstage. Daher greift es möglicherweise zu kurz, nur die absolute Höhe des Serum-Coffeinspiegels als Kriterium für eine Vergiftung heranzuziehen, folgern die Autoren.
Anmerkung der Redaktion:
Die Dosierungsempfehlung zur Behandlung der primären Apnoe bei Frühgeborenen beträgt für sämtliche in Deutschland zugelassene Coffeincitrat-Fertigpräparate 5 mg/kg/Tag in der Erhaltungstherapie – liegt also deutlich unter der Grenze von 8 mg/kg/Tag, ab der in dieser Studie Serumspiegel im toxischen Bereich gemessen wurden.
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