Frühgeborene haben im Vergleich zu Reifgeborenen ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, das nicht nur den bei Geburt häufig noch unreifen Organsystemen, sondern auch möglichen peri- und postnatalen Komplikationen geschuldet ist. So leiden sie im korrigierten Alter von 18 bis 30 Monaten häufiger unter einer Zerebralparese und entwicklungsneurologischen Verzögerungen. Darüber hinaus weiß man, dass ehemalige Frühgeborene im Erwachsenenalter häufiger mit kardiovaskulären, metabolischen, renalen und/oder pulmonalen Erkrankungen zu kämpfen haben als ihre reifgeborenen Altersgenossen. Doch die meisten dieser Daten stammen aus Geburtsjahrgängen zwischen 1970 und 1990 – seither hat sich die neonatologische Versorgung dieser Kinder erheblich verändert, die Frühgeborenen-Mortalität ist drastisch gesunken und die Grenze der Lebensfähigkeit hat sich weit nach vorne verschoben.
Eine aktuelle kanadische Kohortenstudie hat untersucht, wie es inzwischen um den Gesundheitszustand von ehemaligen Frühgeborenen bestellt ist. Dazu wurden in der Provinz British Columbia die medizinischen Daten sämtlicher zwischen April 2004 und Dezember 2014 lebend zur Welt gekommenen Kinder ausgewertet und zum Gestationsalter bei Geburt in Beziehung gesetzt. Erfasst wurde die Inanspruchnahme stationärer und ambulanter medizinischer Versorgung sowie die ärztlichen Verordnungen, die die Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren erhalten haben, und die Diagnosen, die in diesem Zeitraum gestellt wurden.
Von 448.819 der insgesamt 465.338 im Untersuchungszeitraum lebend geborenen Kinder lagen vollständige Daten zu Gestationsalter und Geburtsgewicht vor. Follow-up-Informationen bis zum Alter von 5 Jahren waren für 420.309 dieser Kinder verfügbar. Insgesamt kamen 9,4 % der Kinder mit weniger als 37 Gestationswochen zur Welt, während 31,3 % mit 37–38 Gestationswochen und 58,2 % mit 39–41 Gestationswochen geboren wurden. Mit 7,3 % handelte es sich bei den meisten Frühgeborenen um "späte" Frühchen mit 34–36 Gestationswochen, während 1,4 % der Kinder mit 31–33 Wochen und 0,4 % mit 28–30 Wochen zur Welt kamen. Noch unreifer waren mit 25–27 bzw. 22–24 Wochen nur 0,21 bzw. 0,05 % der Frühgeborenen. 1,2 % der Geburten erfolgten mit 42–44 Gestationswochen.
Im Vergleich zu Reifgeborenen mit 39–41 Wochen erhöhte sich das relative Risiko (RR) für eine Hospitalisierung innerhalb der ersten fünf Lebensjahre mit abnehmendem Gestationsalter drastisch. War das RR mit 1,53 für "späte" Frühgeborene im Vergleich zu Reifgeborenen nur anderthalbfach erhöht, vervielfachte es sich für die unreifsten Frühgeborenen mit 25–27 bzw. 22–24 Wochen dagegen auf 4,5 und 6,4. Im Alter zwischen 6 und 12 Monaten wurden extrem unreife Frühgeborene mit 25–27 bzw. 22–24 Wochen sogar 16- bis 24-fach öfter stationär versorgt; bei "späten" Frühgeborenen erhöhte sich dieses Risiko auf das 3,6-Fache im Vergleich zu Termingeborenen. Entsprechend größer war mit sinkendem Gestationsalter auch die Zahl ambulanter Arztbesuche. Während Reifgeborene im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren im Schnitt 17-mal einem Arzt vorgestellt wurden, war dies bei Frühgeborenen im Schnitt 18 bis 47-mal der Fall.
Mit Abstand die häufigsten Ursachen für eine Krankenhausaufnahme waren Atemwegserkrankungen wie Pneumonien, Bronchiolitiden, Bronchitis und Asthma bronchiale. Insgesamt waren respiratorische Erkrankungen bei Frühgeborenen 1,3- bis 4-fach häufiger als bei Reifgeborenen. Doch auch andere Organsysteme wurden von der Frühgeburtlichkeit in Mitleidenschaft gezogen: So waren bei Frühgeborenen kardiale Probleme 2,0- bis 11,4-fach häufiger, endokrine Erkrankungen fand man 1,1- bis 2,4-fach öfter, der Gastrointestinaltrakt war 1,3- bis 6,4-mal öfter betroffen. Auch Nierenerkrankungen kamen um den Faktor 1,2 bis 3,4 und Schlafstörungen um den Faktor 1,4 bis 2,4 häufiger vor. Entwicklungsneurologische Störungen fand man bei Frühgeborenen 1,6- bis 8,0-mal öfter. Bei den meisten Störungen war die Häufigkeit eng mit dem Gestationsalter der Kinder assoziiert.
Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass auch die Anzahl von Medikamenten-Verschreibungen mit abnehmendem Gestationsalter zunahm: Während sie für Reifgeborene mit 39–41 Gestationswochen bei durchschnittlich 3 pro Kind lag (Interquartils-Abstand [IQR] 1–6), kamen "späte" Frühgeborene im Schnitt auf 4 (IQR 1–8) und extrem unreife Frühgeborene auf 10 (4–19). Bei den verschriebenen Medikamenten handelte es sich insbesondere um Antibiotika, Bronchodilatatoren, Kortikosteroide, Diuretika und Schilddrüsenhormone.
Trotz aller Fortschritte in der neonatalen Versorgung haben vor allem sehr unreife Frühgeborene viel häufiger mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen als ihre reifgeborenen Altersgenoss*innen – so das Fazit der Autoren. Daher sollten diese Kinder langfristige und umfassende Nachsorge erhalten, damit bei Bedarf frühzeitig gezielte Interventionen eingeleitet werden können.
Inhalt teilen